Sonntag, 2. Dezember 2007
Multipercussionist Martin Grubinger mit seiner ganz eigenen, rhythmisch-musischen Weltsprache
"Am Anfang war der Rhythmus," soll der Dirigent und Pianist Hans von Bülow (1830-1894) gesagt haben. So jedenfalls hat es der niederländische Dirigent Charles de Wolff vor über dreißig Jahren behauptet als er ein Konzert mit den Schlagzeugern des Orchesters in Groningen — das übrigens das älteste Sinfonieorchester der Niederlande (seit 1862) ist — mit einigen Sätzen bei den Zuhörern eingeführt hat. Wenn man das Phänomen Rhythmus mit Schöpfungsdrang, -willen und -kraft in Verbindung bringen möchte, gibt es nicht viel was man gegen diese Behauptung ins Feld brengen könnte. Das hat sich am vergangenen Freitagabend in der NDR Talkshow mal wieder gezeigt.
Diese Gesprächsrunde die in den letzten Jahren alle zwei Wochen am Freitagabend zwischen 22:00 Uhr und Mitternacht über das Trauerbildschirm flimmert, hat im Laufe der Jahrzehnte das kantige weitgehend verloren, unter anderem weil es da fast nie mehr zu einem richtigen Schlagabtausch kommt. Und weil die beiden, leider allzu narzistischen, Gastgeber schon zu viel im Fernsehen erscheinen. Da gibt es einerseits diesen Jörg Pilawa, das unendliche Quiz-Oberhaupt des öffentlich-rechtlichen Deutschen Fernsehens, der allein schon deshalb nicht noch mehr in der Flimmerkiste herumgeistern sollte, doch dies immer wieder tun wird weil man ihn hineinprogrammiert — in erster Linie macht das wohl die Televisionsobrigkeit des NDR bzw. der ARD. Einerseits kann man denen das wohl weniger verdenken, weil er mit seinem attraktiven Äußeren eine große Anziehungskraft auf alle Geschlechter im Alter von acht bis einhundertundacht Jahren ausübt. Andererseits sollte man auch die Pluriformität in dieser Hinsicht nicht aus den Augen verlieren.
Neben Herrn Pilawa, der sein ursprüngliches Naturell vor Jahren schon in der Garderobe abgelegt und dort wohl vergessen hat, tritt da immer eine extrem selbstverliebte Plaudertasche namens Julia Westlake als Gastgeberin auf — eine kaum, bis mehr als überhaupt nicht, zu ertragende Schreckschraube.
Dennoch, wenn man von vorne herein weiß dass da ein großer Musiker auftreten wird, lässt man wohl einiges über sich ergehen. Dieser große Musiker ist Martin Grubinger, ein Schlagzeuger der Seinesgleichen nicht kennt. Zusammen mit einem Freund hat er bei dieser Gelegenheit einen Teil aus einer eigenen Komposition vorgestellt, die als Soundtrack für den neuen Film von Michael Verhoeven verwendet wird.

Auf die Frage ob das viele Schlagzeug — das nun einmal vor allem im Zusammenwirken, viel Lärm erzeugt — nicht eine allzu große Belästigung für die Nachbarn darstellt, hat Martin Grubinger erklärt dass er in Österreich auf dem Lande lebt und sich in seiner Nachbarschaft nur noch fünf Bauernhöfe befinden und es dazwischen ausschließlich Wiesen gibt mit Kühen. Dass diese armen Tiere darunter leiden sollen, kann man jedenfalls stark bezweifeln wenn man einmal erfahren hat dass die alle geradezu begeistert bei seinem Studio kommen und ins Fenster schauen wenn er probt oder spielt. Das zeigt mal wieder wie sehr Tiere im Hinblick auf ihre Intelligenz und auf ihr Gefühlsleben unterschätzt werden.

Sein hartes Üben — neun bis zehn Stunden am Tag — hat Martin Grubinger inzwischen zu einer großen Zahl an internationalen Konzerten verholfen. Bis jetzt sind das im Durchschnitt achzig soweit es die beiden kommenden Jahre betrifft. Komponisten schreiben inzwischen speziell für ihn, und gerade in diesen Tagen hat er zweimal einen Auftritt mit den Harmburger Philharmonikern unter Simone Young.

Das viele Üben und Spielen hat dafür gezorgt dass an seinen Händen und an einigen Stellen zwischen den Fingern eine ganze Menge Hornhaut sich verfestigt hat. Seine Bemerkung im Gespräch in der NDR Talkshow dass er schon davon gehört habe dass Frauen als erstes den Männern auf die Hände schauen und seine Schlußfolgerung "So gesehen, kann ich ins Kloster gehen", hat verständlicherweise fur Hilarität gesorgt.
Obwohl Martin Grubinger Jahrgang 1983 ist, hat er das Jungenhafte noch nicht verloren, und wir wagen es darauf zu hoffen dass er dieses Naturell festhalten kann.

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