Donnerstag, 6. September 2007
Der schwer überschätzte italienische Tenor Luciano Pavarotti (1935-2007) schweigt jetzt für immer

Am 6. September 2007 ist der Italienische Tenor Luciano Pavarotti im Alter von fast 72 Jahren in seinem Geburtsort Modena gestorben. Er war ein schwerstens überschätzter Sänger, der ganz gerissen auf die volkommen kritiklose Haltung des Massenpublikums ohne Augen und ohne Ohren, eingespielt hat. Dieser Wahnsinn aus Hyperbolen und Superlativen wird jetzt noch einmal in allen Zeitungen, Illustrierten und sonstigen Publikationen über die Leserschar ausgeschüttet. Leider beruht vieles von dem was man da von nun an lesen wird, nicht auf eigene Wahrnehmungen von denen die das eine und das andere drucken werden, sondern wird das meiste darin nur zu gerne nachgeplappert, weil die Sätze so viele schöne Wörter enthalten, die den Eindruck erwecken als hätte derjenige der diese verwendet, wahrlich einiges an Einsichten und/oder gar Ohren zum Thema.
Und dann Pavarotti's Status als Halbgott, für den fast die ganze Welt geschwärmt hat, ist wiederum sowas von übertrieben . . . Ich dagegen kenne nur Leute mit guten Ohren, und wirklich keiner von denen war auch nur im geringsten beeindruckt. Selber bin ich nicht auf ihn 'zugegangen', sondern habe ihn sehr nachdrücklich gemieden, weil ich diese unterschwellige Hysterie in seiner Stimme schon seit Jahrzehnten nicht mehr ertragen konnte. Auf älteren Aufnahmen kann man eine anno dazumal noch redlich frische Stimme hören, der man Qualitäten, ja sogar große Qualitäten, mit Sicherheit nicht absprechen darf, doch im Laufe der Jahrzehnte ist dieser Mann — ohne jeglichen Zweifel auch als Folge der vollkommenen Idiotie der Massen — zu einer Institution geworden die sich nur zu zeigen brauchte; was er unter Umständen vokal noch hätte leisten können war, zweifellos vor allem als Konsequenz des schon zuvor ausgerollten roten Teppichs, auf den zweiten Plan herabgesetzt, wenn nicht noch tiefer. Das hat wohl mit dazu geführt dass der Mann — sowie das mit sehr vielen in der Welt der schönen Künste, und nicht zuletzt auch im Bereich der sogenannten Unterhaltung der Fall ist— für all die Zuhörer und Zuschauer letzten Endes nur noch eine Funktion bekommen hat die man vergleichen kann mit der Klingel die Ivan Pavlov verwendet hat für seine Experimente mit den Hunden. Millionen haben — wenn schon nicht ohne weiteres, dann eben doch im übertragenen Sinne — angefangen zu geifern, in einem konditionierten Reflex auf das Lesen oder Hören des Namens Pavarotti. Ekelerregend.
Eine Zeitlang — das heißt solange die manipulierenden Manager ihren Willen durchsetzen können — werden wir noch eine Hochzeit erleben in den Programmen zum Gedenken im Rundfunk und Fernsehen und gleichfalls in den Feuilletons der sich selbst respektierenden Printmedien, und auch das wiederum ad nauseam usque (salopp gesagt: bis zum Geht nicht mehr), und weiterhin wird der Verkauf von Ton- und Bildträgern geraume Zeit bis in die höchst erreichbaren Höhen getrieben werden, zur größeren Glorifizierung der Hersteller und auch noch ein Wenig zum besseren Erbe der Hinterbliebenen. Langsam doch sicherlich wird das alles innerhalb von einer redlichen Periode verschwinden, vor allem wenn die extrem manipulatorischen Werbemanager erfolgreich sein werden mit ihren Versuchen eine andere Stimme, die sich im Prinzip redlich durchsetzt, so in den Mittelpunkt zu stellen dass 'man' (sprich: 'die zuhörenden Leute') wiederum massenhaft glauben wird dass man es wohl mit einem neuen außerordentlichen Groß-Mogul des Belcanto zu tun hat.
Die Welt will betrogen werden.
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Abbildung: Luciano Pavarotti — Bronze aus 1987 von Serge Mangin.

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Sonntag, 26. August 2007
Mascha Kaléko — Ansprache eines Bücherwurms

Ansprache eines Bücherwurms

Der Kakerlak nährt sich vom Mist,
Die Motte frißt gern Tücher,
Ja, selbst der Wurm ist, was er ißt.
Und ich, ich fresse Bücher.

Ob Prosa oder Poesie,
Ob Mord — ob Heldentaten —
Ich schmause und genieße sie
Wie einen Gänsebraten.


Ich bin ein sehr belesner Herr,
Nicht wie die andern Viecher!
Daß Bücher bilden, wißt auch ihr,
Und ich — ich fresse Bücher.

Die Nahrung, sie behagt mir wohl,
Verleiht mir Grips und Stärke.

Was andern Wurst mit Sauerkohl,
Das sind mir Goethe's Werke.

Ich fraß mich durch die Literatur
So mancher Bibliotheken;
Doch warn das meiste, glaubt es nur,
Bloß elende Scharteken.

Das Bücherfressen macht gescheit.
So denken sich's die Schlauen.
Doch wer zuviel frißt, hat nicht Zeit,
Es richtig zu verdauen.


Drum lest mit Maß, doch lest genug,
Dann wird's euch wohl ergehen.
Bloß Bücher fressen macht nicht klug!
Man muß sie auch verstehen.
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Mascha Kaléko (1907-1975)
Wir haben keine andere Zeit als diese

opgenomen in Mein Lied geht weiter (2007)


Mascha Kaléko: Mein Lied geht weiter — Hundert Gedichte. Ausgewählt und herausgegeben von Gisela Zoch-Westphal; 160 Seiten, Paperback, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, Mai 2007; ISBN 3-423-13563-4. Preis € 6, —.






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Dienstag, 7. August 2007
Der niederländische Künstler Herbert Nouwens hat Bachs sechs Suiten für Cello in massivem Stahl ausgestellt

Sollten Sie noch Urlaub haben, oder sich sowie so noch einige Tage frei nehmen können und bislang zweifeln wohin die Reise gehen soll, und Sie auch Liebhaber der Tonkunst von Johann Sebastian Bach sind und nebenher auch noch von bildenden Künsten, dann sollten Sie falls Sie im August oder im September die Möglichkeit dazu haben ― in den relativ ruhigen Norden der Niederlande fahren und dort der Mühlenstadt Winschoten, in der Provinz Groningen, nahe der deutsch/niederländischen Grenze, einen Besuch abstatten und hier in das berühmte Rosarium gehen. Nicht nur um sich die dort anwesenden schönen Blumen anzuschauen, sondern auch weil dort seit einigen Wochen sechs ganz massive Plastiken aus Stahl stehen, die alle eine der sechs Suiten für Cello-Solo van Papa Bach darstellen. Das ganze trägt auch den Titel De Suites (den wir hier bestimmt nicht zu übersetzen brauchen). Das Projekt wurde realisiert von dem niederländischen Künstler Herbert Nouwens (geboren 1954, zu Oegstgeest ― sprich: Uchstcheest ― in der Provinz Süd-Holland). Wir stellen Ihnen hier die Fünfte Suite vor, die Sie sich, durch Mausklicken, vergrößert anschauen können. In Wirklichkeit sind all diese Plastiken auch sehr imponierend. Sollten Sie sich das einmal anschauen wollen, hören Sie sich die Bach’sche Musik vorher doch noch einmal genau an, damit Sie gegebenenfalls auch nachvollziehen können was Herbert Nouwens alles durchlebt haben könnte.
Die Musik von Papa Bach hat es dem Künstler sehr angetan, denn schon vor einem Jahrzehnt hat er eine Serie von 24 Kleinplastiken ausgestellt, die ihren Ursprung fanden in der Musik von Bachs 24 Preludien und Fugen für das Klavier. Diesmal hat Herbert Nouwens jedoch das ganze in völlig anderen Dimensionen praktiziert, und so konnten die Plastiken eigentlich auch nur im Freien zum Zuge kommen.
Für nähere Informationen die auf dieses Projekt Bezug nehmen, sowie auf eventuell wichtige Ereignisse am Rande, sowie Konzerte ― am Samstag 29. September ab 17:00 Uhr nachmittags spielt der international hoch angesehene russische Cellist Dmitri Ferschtman alle sechs Suiten, und weiterhin gibt es noch ein besonderes Foto-Wettbewerb ― rate ich Ihnen der Webseite der Stadt Winschoten einen Besuch abzustatten, auf der Sie alle notwendigen Daten finden können.
Sollten Sie zufälligerweise auch noch Niederländisch können, so lesen Sie bitte, später in diesem Monat, meinen ausführlichen Artikel — mit detaillierten Informationen und Hintergründen über die Arbeitsweise des Künstlers — auf der Website der niederländischen Musikzeitschrift Mens en Melodie.
Wenn Sie jedoch schon jetzt wissen möchten wie die fünf anderen Plastiken aussehen, dan schauen Sie sich die hier unten aufgeführten, niederländischen Webseiten an.
Die erste Suite finden Sie unter:
http://lettersenbeelden.web-log.nl/mijn_weblog/
Die zweite steht auf einem anderen Blatt:
http://lettereninternationaal.punt.nl
Die dritte finden Sie auf dem niederländischen Counterpart der hiesigen Webseite:
http://cultuurtempel.blogspot.com/
Und schon sind wir bei der Vierten Suite angelangt:
http://www.bloggen.be/cultuursfinx/
Aus Belgien zurück in die Niederlande für die Sechse Bach'sche Cello-Suite in Stahl:
http://www.nederlands.nl/nedermap
unter Beschouwingen

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Montag, 6. August 2007
Sonnenuntergang bei Juan-les-Pins, 1908

Der Englische Maler J. Macwhirter (1839-1911) hat diverse Landschaftsbilder und andere Naturgemälde realisiert. Die, hier inzwischen öfters zitierte, Englischsprachige, damals monatlich erscheinende, Zetschrift Cassell's Magazine, die vor einem Jahrhundert eine große Bekanntheit sowie großes Ansehen genoß — selbstverständlich in erster Linie innerhalb, doch gleichfalss außerhalb des Vereinigten Königreichs — hat dem Textteil der Februar-Ausgabe von 1908 die hier gezeigte, hervorragende Abbildung — Sonnenuntergang in Juan les Pins — vorangestellt, auf speziell für Kunstbeilagen geeignetem Papier, das zwischen den normalen Heftteilen mit eingebunden wurde. Das Gemälde zeigt die bewegende Farbenpracht der Natur an Ort und Stelle, die Intensität des roten Glutes der untergehenden Sonne, sowie die relativ dunklen Bäume gegen den Hintergrund einer mehr und mehr verfließenden Klarheit der Luft.
Über den Maler ist leider allzu wenig bekannt. Wenn man nach mehr Daten sucht, wird man jedoch kaum mehr finden als das Geburts- sowie das Sterbejahr, und bei Galeristen liest man fast ausschließlich die Bitte, selbst noch biografische Daten hinzuzufügen.

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Samstag, 4. August 2007
Ein superschnelles Auto im Jahre 1907

In der Dezember-Ausgabe des Englischsprachigen Monatsheftes Cassell's Magazine von 1907 ist die hiermit vorgestellte Farbenzeichnung afgenommen, mit daran gekoppelt die Frage: "Können Sie mir sagen?" Und dann folgte ein Rechenrätsel: Dieses motorisierte Fahrzeug hat sechzig Meilen zurückgelegt in einer Stunde und zehn Minuten. Wie lange braucht es um siebzig Meilen zurückzulegen?
Es ist eine ganz schöne Karikatur, und der Humor daran zeigt sich in mehreren Teilaspekten. Die Art der Kleidung des Herrn ganz rechts deutet schon an dass es sich bei ihm wohl um einen Mann mit Geld handelt, erstens um ein solches Auto zu ersteigern, zweitens um die Kosen des Unterhalts zu bestreiten.
Als schöner Kontrast zu diesem, damals hypermodernen Fahrzeug, das Lärm erzeugte und ganz schnell fahren konnte, sehen wir viele verschiedene Tiere die dieses Phänomen inspezieren wollen. Es steht still, macht in dem Moment keinen Lärm, so wie das im Vorüberrasen der Fall ist, und deshalb können die alle sich ohne weiteres mal bemühen: Kühe, Pferde, Esel, Fasanen und andere Vögel, Fuchs, Hasen und Kaninchen. Das neuartige Phänomen fordert soviel Aufmerksamkeit von denen — und die Neugierde ist an den Gesichtern der Kühe ganz klar abzulesen — dass gerade die Tiere die sich sonst so sehr vor dem Fuchs fürchten, jetzt nur noch in eine Richtung schauen. Sollten Sie im Stande sein das Foto durch Mausklicken zu vergrößern, so können Sie all diese Aspekte noch besser wahrnehmen.
Die Zeichnung trägt die Unterschrift G.L. Stampa, dem man öfters in dieser Zeitschrift begegnen konnte.

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Montag, 30. Juli 2007
Über den Benutzer dieser Webseite
HEINZ WALLISCH (Groningen — Niederlande, 1945) ist Musik- und Literaturkritiker, Sprachenredakteur, Lektor und Lexikograph. Ab seinem 15. Lebensjahr durchlief er, neben seiner Schul- und Studienzeit, praktisch alle Disziplinen des Bücher- und Verlagsfaches.
Anfang der siebziger Jahre war er in mehreren EU-Ländern tätig für den Verlag der Europäischen Kommission in Luxemburg. Ab 1975 war er für Tages- und Wochenzeitungen tätig, sowie für Fachblätter im In- und Ausland, in erster Linie im Bereich der klassischen Musik. In seinen jüngeren Jahren hat er viele Bücher und Kurzgeschichten übersetzt für Verlagshäuser in den Niederlanden und Belgien, sowie andere Dokumentationen für Institutionen in mehreren europäischen Ländern.

Seit 2006 ist er mehr und mehr mit Webzeitungen beschäftigt und weniger mit Printmedien. Er publiziert zwar immer noch in einigen Bücherzeitschriften und Musikblättern, schreibt und redigiert jedoch für immer mehr Webseiten in den Niederlanden und Belgien — in diesen beiden Ländern in niederländischer Sprache —, sowie für diesen Kulturtempel in deutscher, und für den Culture Temple International, sowie für Cultural Spectrum und für World Poetry in englischer Sprache.
In den Niederlanden erscheinen seine Kulturbeiträge in der elektronischen Zeitung Cultuurtempel mit 29 daraus entstandenen Themen-Seiten. In Belgien in bislang zwei elektronischen Medien: im Cultuursfinx, sowie im Cultuurspectrum. Auch für Webseiten von anderen Institutionen schreibt er regelmäßig bis oft: seit einigen Jahren intensiv für All art is quite useless, über alle Künste des Fin de siècle.
Auch in der Printversion, sowie in der elektronischen Ausgabe, der ältesten niederländischen Musikzeitschrift Mens en Melodie wurden Beiträge von ihm veröffentlicht. Viele Beiträge veröffentlicht er auf der Homepage dieser Zeitschrift:
http://www.mensenmelodie.nl/
Auch in Printmedien erscheinen Beiträge von ihm über Musik und über Bücher, Verlage und Bücherreihen im In- und Ausland.
Seine wichtigsten Buchausgaben erschienen 1987: 125 Jaar Symfonieorkest in Groningen; und 2003: Geïllustreerde Encyclopedie van Muziekinstrumenten (zusammen mit Bert Oling). Dieses lexikographische Buch wurde seitdem in viele Sprachen übersetzt.

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Zwei farbenprächtige Geishas einer farbenliebenden, niederländischen Künstlerin

Wann haben Sie zuletzt eine schöne Geisha gesehen? Bitte sehr, hier sind zwei gleichzeitig. Ich fand Sie auf dem Weblog [1] der niederländischen Künstlerin Annelies van Gils, und genau diese Farbenpracht hat es mir sofort angetan. Manche Leute müssen wohl dasselbe empfunden haben, denn innerhalb von etwahin zwei Wochen haben achthundert Leute diesen, fast bis zur Erleuchtung führenden, durch tiefe Farben definierten, Damen einen Besuch abgestattet. Muß man, wenn man sowas empfindet, nicht sofort dazu übergehen andere Leute darauf hinzuweisen, dass diese Annelies auch weiterhin schöne Kunst produziert, die sie auf ihrem Weblog vorstellt: Photographien, Zeichnungen und auch kleinere Bildhauwerke — zum Beispiel eine kleine, 20 Zentimeter hohe Eule aus Seifenstein, in der zwar fast niemand eine Eule erkennen kann, die jedoch so manch einem und, nicht zu vergessen, manch einer, schon bald ans Herz gewachsen ist.
Die Vielfarbigkeit dieser Niederländerin — und bitte: nicht sofort wieder übersetzen mit Holländerin, denn das wäre genau so unsinnig und diskriminierend wie alle Hamburger als Schwarzwälder zu verunglimpfen — ist eines Ihrer Markenzeichen, und deshalb möchte ich hier nichts weiter als darauf hinzuweisen dass man das alles für sich entscheiden kann indem man sich einmal anschaut was Annelies Ihnen und anderen zu bieten hat.
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[1]: http://www.mijnkunst.punt.nl/

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