Montag, 29. September 2008
Intelligente Pferde und alte Ostfriesen in Grand Rapids
kulturtempel, 13:51h
Überfahrt nach Hoboken
Kurz nach der vorigen Jahrhundertwende — also, um 1900 — ist mein Großvater mütterlicherseits, Gerke Mulder (1882-1972) auf einem großen Dampfschiff aus Rotterdam nach New York gereist — eine Überfahrt die damals mehr als zwei Wochen gedauert hat — um von dort aus weiter in den Norden der Vereinigten Staaten zu reisen, wo in Grand Rapids im Staate Michigan eine Unterkunft sowie eine Arbeit auf ihn gewartet haben.
Ohne Zweifel war letzteres von Verwandten eingefädelt worden, die dort schon seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gewohnt hatten, ihre Arbeit nachgegangen waren, dort Nachwuchs bekommen hatten und sich über all das in Briefen nach Groningen besonders positiv geäußert hatten.
Mein Großvater wollte mal was anderes versuchen als im vertrauten Kreis des Lebensmittelgeschäftes sich weiterzuentwickeln. Und zum Pionieren haben die Vereinigten Staaten von damals ohne jeglichen Zweifel wohl die beste Perspektive geboten.
Wohnen und Arbeiten
Schon am ersten Tag nach seiner Ankunft in Grand Rapids konnte er seine neue Beschäftigung antreten. Sein Arbeitgeber war von den Verwandten schon darüber informiert worden, dass Opa sich hervorragend mit Pferden verstand und auch dass er mit einem größeren Wagen mit zwei Pferden sehr gut über den Weg konnte. Auch deshalb konnte er sich unmittelbar an die Arbeit machen. Er bekam einen ziemlich großen Wagen zugewiesen sowie zwei Zugpferde. Zusammen sollten sie all die Läden besuchen die die Spezialität des Hauses — der klassische Zwieback — im Angebot hatten.
"Dann brauch ich jetzt wohl noch eine Liste mit den Namen der Geschäfte," meinte mein Großvater.
"Nicht nötig. Die Pferde machen von sich aus halt bei jedem Geschäft in dem du dich vorstellen sollst."
Der erste Laden bei dem die Pferde halt hielten, war klein. Opa ging hinein und fragte auf extra sich angeeignetes Amerikanisches Englisch ob man schon Nachschub von seinem Produkt bräuchte.
Die ältere Frau bedeutete ihn zu warten und drehte sich um, öffnete eine Tür und rief ihren Mann.
"Komm mal her, ich kann nicht verstehen was dieser Kerl sagt."
Da sie dieses auf Ostfriesisch rief, reagierte mein Großvater sofort.
"Of ie ook tweibakkn hebbn moutn."
Die Frau war volkommen perplex.
"Und wo kommst du her? Wir sind Ostfriesen und sogar nach vierzig Jahren verstehen wir diese Yanks immer noch nicht."
Rückkehr
Im Jahre 1906 hat Opa immer noch in Grand Rapids gelebt und gearbeitet. Gerade zu der Zeit wurden sogar in jener Gegend der Verenigten Staaten Spezialeisen organisiert nach Chicago wo relativ kurz zuvor dieses schreckliche Erdbeben stattgefunden hatte. Also: schon vor über einem Jahrhundert hat es diesen Katastrophentourismus gegeben.
Seine Verlobte, Eiske Bossinga (1885-1924), die später meine schon längst verstorbene Großmutter werden sollte, konnte sich gar nicht mit dem Gedanken anfreunden, dort im 'Fernen Westen' eine Karriere oder gar ein Privatleben aufzubauen, und aus diesem Grund ist Gerke Mulder nicht allzu lange danach in die Niederlande zurückgekehrt um in der eigenen Provinz doch noch mal wieder sein Glück mit einem Lebensmittelladen zu versuchen.
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Abbildungen
1. Auseinandergefaltete, doppelte Ansichtskarte mit Blick auf den Fluß Grand und die Stadt Grand Rapids, um 1905, zu der Zeit als mein Großvater dort gelebt und gearbeitet hat.
2. Gerke Mulder 1905. Das Photo wurde aufgenommen im Studio von der Firma G. Poisson in G. Div. Street zu Grand Rapids.
3 Eiske Bossinga, die spätere Ehefrau von Gerke Mulder. Sie wollte nicht in die Vereinigten Staaten auswandern.
Kurz nach der vorigen Jahrhundertwende — also, um 1900 — ist mein Großvater mütterlicherseits, Gerke Mulder (1882-1972) auf einem großen Dampfschiff aus Rotterdam nach New York gereist — eine Überfahrt die damals mehr als zwei Wochen gedauert hat — um von dort aus weiter in den Norden der Vereinigten Staaten zu reisen, wo in Grand Rapids im Staate Michigan eine Unterkunft sowie eine Arbeit auf ihn gewartet haben.
Ohne Zweifel war letzteres von Verwandten eingefädelt worden, die dort schon seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gewohnt hatten, ihre Arbeit nachgegangen waren, dort Nachwuchs bekommen hatten und sich über all das in Briefen nach Groningen besonders positiv geäußert hatten.
Mein Großvater wollte mal was anderes versuchen als im vertrauten Kreis des Lebensmittelgeschäftes sich weiterzuentwickeln. Und zum Pionieren haben die Vereinigten Staaten von damals ohne jeglichen Zweifel wohl die beste Perspektive geboten.
Wohnen und Arbeiten
Schon am ersten Tag nach seiner Ankunft in Grand Rapids konnte er seine neue Beschäftigung antreten. Sein Arbeitgeber war von den Verwandten schon darüber informiert worden, dass Opa sich hervorragend mit Pferden verstand und auch dass er mit einem größeren Wagen mit zwei Pferden sehr gut über den Weg konnte. Auch deshalb konnte er sich unmittelbar an die Arbeit machen. Er bekam einen ziemlich großen Wagen zugewiesen sowie zwei Zugpferde. Zusammen sollten sie all die Läden besuchen die die Spezialität des Hauses — der klassische Zwieback — im Angebot hatten.
"Dann brauch ich jetzt wohl noch eine Liste mit den Namen der Geschäfte," meinte mein Großvater.
"Nicht nötig. Die Pferde machen von sich aus halt bei jedem Geschäft in dem du dich vorstellen sollst."
Der erste Laden bei dem die Pferde halt hielten, war klein. Opa ging hinein und fragte auf extra sich angeeignetes Amerikanisches Englisch ob man schon Nachschub von seinem Produkt bräuchte.
Die ältere Frau bedeutete ihn zu warten und drehte sich um, öffnete eine Tür und rief ihren Mann.
"Komm mal her, ich kann nicht verstehen was dieser Kerl sagt."
Da sie dieses auf Ostfriesisch rief, reagierte mein Großvater sofort.
"Of ie ook tweibakkn hebbn moutn."
Die Frau war volkommen perplex.
"Und wo kommst du her? Wir sind Ostfriesen und sogar nach vierzig Jahren verstehen wir diese Yanks immer noch nicht."
Rückkehr
Im Jahre 1906 hat Opa immer noch in Grand Rapids gelebt und gearbeitet. Gerade zu der Zeit wurden sogar in jener Gegend der Verenigten Staaten Spezialeisen organisiert nach Chicago wo relativ kurz zuvor dieses schreckliche Erdbeben stattgefunden hatte. Also: schon vor über einem Jahrhundert hat es diesen Katastrophentourismus gegeben.
Seine Verlobte, Eiske Bossinga (1885-1924), die später meine schon längst verstorbene Großmutter werden sollte, konnte sich gar nicht mit dem Gedanken anfreunden, dort im 'Fernen Westen' eine Karriere oder gar ein Privatleben aufzubauen, und aus diesem Grund ist Gerke Mulder nicht allzu lange danach in die Niederlande zurückgekehrt um in der eigenen Provinz doch noch mal wieder sein Glück mit einem Lebensmittelladen zu versuchen.
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Abbildungen
1. Auseinandergefaltete, doppelte Ansichtskarte mit Blick auf den Fluß Grand und die Stadt Grand Rapids, um 1905, zu der Zeit als mein Großvater dort gelebt und gearbeitet hat.
2. Gerke Mulder 1905. Das Photo wurde aufgenommen im Studio von der Firma G. Poisson in G. Div. Street zu Grand Rapids.
3 Eiske Bossinga, die spätere Ehefrau von Gerke Mulder. Sie wollte nicht in die Vereinigten Staaten auswandern.
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