Mittwoch, 2. Januar 2008
Zwei deutschsprachige Winternacht-Gedichte
WINTERNACHT
Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,
Still und blendend lag der weiße Schnee,
Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,
Keine Welle schlug im starren See.

Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,
Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;
An den Ästen klomm die Nix herauf,
Schaute durch das grüne Eis empor.

Auf dem dünnen Glase stand ich da,
Das die schwarze Tiefe von mir schied;
Dicht ich unter meinen Füße sah,
Ihre weiße Schönheit Glied für Glied.

Mit ersticktem Jammer tastet' sie
An der harten Ecke her und hin.
Ich vergaß das dunkle Antlitz nie,
Immer, immer liegt es mir im Sinn.
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Gottfried Keller (1819-1890)
Aus: Sämtliche Gedichte
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WINTERNACHT

Cellolied

Ich schlafe tief in stiller Winternacht
Mir ist, ich lieg in Grabesnacht,
Alsob ich spät um Mitternacht gestorben sei
Und schon ein Sternenleben tot.

Zu meinem Kinde zog mein Glück
Und alles Leiden in das Leid zurück.
Nur meine Sehnsucht sucht sich heim
Und zuckt wie zähes Leben
Und stirbt.

Ich schlafe tief in starrer Winternacht,
Mir ist, ich lieg in Grabesnacht.

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Else Lasker-Schüler (1869-1945)
Aus: Sämtliche Gedichte.
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Abbildungen
1. Der Schweizer Dichter Gottfried Keller in 1886. Porträt vom schweizer Maler Karl Stauffer-Bern (1857-1891).
2. Die Dichterin Else Lasker-Schüler.

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