Mittwoch, 9. Januar 2008
Wilhelm Busch starb heute vor genau einhundert Jahren
Jahrhundert-Gedenken
Am 9. Jänner 1908 ist der Maler, Zeichner und Dichter, Humorist und Denker Wilhelm Busch gestorben. Und obwohl man es mit dem üblichen Rundezahlenfetischismus nicht allzu bunt treiben sollte, bietet dieses Datum eben doch eine gute Gelegenheit sich noch einmal zu beschäftigen mit dem besonderen Menschen Busch, der am 15. April 1832 geboren wurde — eine Tatsache die im vergangenen Jahr schon zu allerhand an Publizistischem geführt hat, denn auch 175 ist nun mal 'ne halbwegs runde Zahl.
Wer sich für diesen außerordentlichen Menschen interessiert, sollte sich nicht die drei — zwei im Dezember und eines in diesem Monat — im Deutschen Taschenbuch Verlag erschienenen Bücher entgehen lassen, da diese zusammen ein breitgefächertes Bild des Literators, des bildenden Künstlers, und nicht zuletzt des Menschen Busch bieten.
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DER EINSAME

Wer einsam ist, der hat es gut,
Weil keiner da, der ihm was tut.
Ihm stört in seinem Lustrevier
Kein Tier, kein Mensch und kein Klavier,
Und niemand gibt ihm weise Lehren,
Die gut gemeint und bös zu hören.
Der Weh entronnen, geht er still
In Filzpantoffeln, wann er will.
Sogar im Schlafrock wandelt er
Bequem den ganzen Tag umher.
Er kennt kein weibliches Verbot,
Drum rauscht und dampft er wie ein Schlot.
Geschützt vor fremden Späherblicken,
Kann er sich selbt die Hosen flicken.
Liebt er Musik, so darf er flöten,
Um angenehm die Zeit zo töten,
Und laut und kräftig darf er prusten,
Und ohne Rücksicht darf er husten,
Und allgemein vergißt man seier.
Nur allerhöchstens fragt mal einer:
Was, lebt er noch? Ei, Schwerenot,
Ich dachte längst, er wäre tot.
Kurz, abgesehn vom Steuerzahlen,
Läßt sich das Glück nicht schöner malen.
Worauf denn auch der Satz beruht:
Wer einsam ist, der hat es gut.

Aus: Zu guter Letzt
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Biographie
Die Germanistin und Mediaevistin Michaela Diers — ihr verdanken wir ein biographisches Portrait, in der nämlichen dtv-Reihe, über Hildegard von Bingen, und Veröffentlichungen über den mit Hildegard befreundeten Bernard von Clairvaux, sowie über Bettina von Arnim und einige Bücher über Mystik — hat sich nachdrücklich mit Leben und Werk von Wilhelm Busch beschäftgt und das Resultat ist, wie kaum anders zu erwarten war, ein hervorragendes Buch das offiziell erst in diesem Monat erschienen ist, jedoch zum Glück für so manch einen, schon seit einigen Wochen im Buchhandel erhältlich ist.
Anhand seiner Zeichnungen und Bilder erläutert Michaela Diers dass die Existenz dieses vielseitigen Künstlers — der vor allem in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts gelebt hat — gar nicht so eindeutig gewesen ist wie man glauben könnte wenn man sich seine Bildergeschichten, mit denen man als Jugendliche(r) — sei es im Originaltext, sei es in irgendeiner Übertragung — beschäftigt hat.
Wenn man, wie die Autorin, sich die Mühe nimmt die wichtigsten Themen im Leben von Busch näher zu betrachten, muss man daraus wohl die Schlussfolgerung ziehen dass er ein tiefempfindender Mensch gewesen ist für den auch nicht immer alles so eindeutig war wie es scheinen mag, wenn man sich die große Beobachtungsgabe, die aus den Bildergeschichten hervorgeht, vor Augen führt. Er war nicht gerade glücklich über den Zeitgeist, der damals als Weltverfassung — nicht zu verwechseln mit einem Weltgrundgesetz, denn sowas hätte am Ende des neunzehnten Jahrhunderts wohl eher Anlass zum Optimismus gegeben — gehandelt wurde. In den hundert Jahren nach seinem Dahinscheiden mag sich wohl einiges im Sozialen verbessert haben, um die Weltverfassung ist es inzwischen ziemlich schlimm gestellt. Denn mit all seiner Phantasie wäre er wohl nicht auf den Gedanken gekommen bei Max und Moritz etwas aus dem Bereich der Industrie zu implantieren.
Wilhelm Busch würde, wenn er in unseren Tagen gelebt hätte, die Begleiterscheingen dieser verheerenden Vorbereitungen mit seinen verschiedenen Federn wohl wieder einiges an Buben- und Mädchenstreichen entgegengesetzt haben.
Heute sind wir soweit: Politiker haben von Auschwitz nichts gelernt: jetzt wollen sie das Restliche, was es noch an Humanem in der Gesellschaft gibt, schon selbst vernichten. Die Bestie aus dem Abgrund lauert überall und den labilsten unter den Politikern kann das nur recht sein, denn mit Monstern paktieren die, im Rahmen ihrer menschenverachtenden Mentalität, nur zu gern. Auch die Folter soll wieder salonfähig werden. Einige Aspekte davon findet man schon in den Zeichnungen bei Wilhelm Busch: da wird Humor hin, Humor her, schon ordentlich geprügelt. Es gibt nun einmal nichts Neues unter der Sonne. Einmal abgesehen von diesem hervorragenden neuen Buch von Michaela Diers, das in seiner Vielschichtigkeit eine große Bereicherung in der Disziplin Biographie bedeutet.
Auch die Gestaltung des Buches, das in der Breite 'ausgedehnt' wurde, damit man eine extra Spalte — vluchtkolom (Fluchtspalte) nennt man sowas im Niederländischen — verfügbar hat für Anmerkungen und, vor allem, für Bildmaterial, verdient ein Kompliment.

Max und Moritz in zehn Dialekten

Gleichzeitig mit dem Gedichtband Reimweisheiten ist eine mundartgerechte Ausgabe von Busch' Eine Bubengeschichte in sieben Streichen, vorangegangen von derselben Geschichte in zehn verschiedenen deutschen Dialekten, und versehen mit ausgewählten Zeichnungen.Die zehn sind übrigens nicht alle Mundart-Versionen die es da gibt. Auf der letzten Seite des Buches wirbt ein anderer Verlag für die A-Z-Ausgabe, mit zusammen 28 verschiedenen Mundarten, von Aachen bis zur Zips.
Der dtv-Auswahlband bietet auch die manchmal notwendigen Glossare und Literaturhinweise, sowie ein Nachwort und Quellenangaben. Über die diversen Autoren kann man sich gleichfalls hinten im Buch näher informieren.
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In der schönen Osterzeit,
Wenn die frommen Bäckersleut
Viele süße Zuckersachen
Backen und zurechtemachen,
Wünschen Max und Moritz auch
Sich so etwas zum Gebrauch.
Doch der Bäcker, mit Bedacht,
Hat das Backhaus zugemacht.
Also, will hier einer stehlen,
Muss er durch den Schlot sich quälen.
Ratsch, da kommen die zwei Knaben
Durch den Schornstein, schwarz wie Raben.
Puff! Sie fallen in die Kist',
Wo das Mehl dadrinnen ist.
Da! Nun sind sie alle beide
Rundherum so weiß wie Kreide.
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Aus dem Sechsten Streich
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Wilhelm Busch: Und überhaupt und sowieso — Reimweisheiten. Ausgewählt und herausgegeben von Günter Stolzenberger. 160 Seiten, Paperback, mit einigen Illustrationen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, Dezember 2007; ISBN 978-3-423-13624-2. Preis € 6,—.

Michaela Diers: Wilhelm Busch — Leben und Werk. 196 Seiten, breiter Paperback mit vielen verschiedenartigen Abbildungen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, Januar 2008; ISBN 978-3-423-34452-4. Preis € 14,50.

Wilhelm Busch: Max und Moritz mundartgerecht. (Mit zehn Dialekten.) 192 Seiten, mit einigen Zeichnungen. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, Dezember 2007; ISBN 978-3-423-13623-5. Preis € 6,—.
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Abbildungen
Die meisten Abbildungen sprechen für sich, auch die beiden von Wilhelm Busch mit Zigarre. Bei den beiden Ölgemälden im Kapitel über die Biographie von Michaela Diers handelt es sich erstens um das Bild einer alten Frau, das Wilhelm Busch 1852 als Halbprofil gemalt hat; das zweite Bild trägt den Titel Mein Stubenplatz in Wiedensahl und ist um 1860 entstanden. Das Material besteht aus Papier/Pappe, das Bildformat beträgt 20 x 24,8 cm.