Sonntag, 2. November 2008
Novalis: Geschichte der Poesie
kulturtempel, 11:33h
Goethe ist jetzt der wahre Statthalter des poetischen Geistes auf Erden.
GESCHICHTE DER POESIE
Wie die Erde voller Schönheit blühte,
Sanftumschleiert von dem Rosenglanz
Ihrer Jugend, und noch bräutlich glühte
Aus der Weihumarmung, die den Kranz
Ihrer unenthüllten Kindheit raubte,
Jeder Wintersturm die Holde mied,
O! da säuselt durch die belaubte
Myrte Zephir sanft das erste Lied.
Eva lauschte im Gebüsch daneben
Und empfand mit Jugendphantasie
Dieser Töne jugendliches Leben
Und die neugeborne Harmonie.
Süßen Trieb empfand auch Philomele
Leise nachzubilden diesen Klang,
Mühelos entströmte ihrer Kehle
Sanft der göttliche Gesang.
Himmlische Begeistrug floß hernieder
In der Huldin reingestimmte Brust,
Und ihr Mund ergoß in Freudenlieder
Und in Dankgesängen ihre Lust,
Tiere, Vögel, selbst die Palmenäste
Neigten staunender zu ihr sich hin.
Alles schwieg, es buhlten nur die Weste
Froh um ihre Schülerin.
Göttin Dichtkunst kam in Rosenblüte
Hoher Jugend eingehüllt herab
Aus dem Äther, schön wie Aphrodite,
Du ihr Ozean das Dasein gab.
Goldne Wölkchen trugen sie hernieder,
Sie umfloß der reinste Balsamduft,
Kleine Genien ertönten Lieder
In der tränenlosen Luft.
NOVALIS
(d.i. Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg — 1772-1801)
Uit: Das lyrische Werk 1788-1793
__________
Sehen Sie zu Novalis bitte auch unseren Beitrag mit Aphorismen, am Samstag 1. November.
__________
Afbbildung: Novalis; Foto nach einer Marmorbüste von Fritz Schaper (1841-1919).
GESCHICHTE DER POESIE
Wie die Erde voller Schönheit blühte,
Sanftumschleiert von dem Rosenglanz
Ihrer Jugend, und noch bräutlich glühte
Aus der Weihumarmung, die den Kranz
Ihrer unenthüllten Kindheit raubte,
Jeder Wintersturm die Holde mied,
O! da säuselt durch die belaubte
Myrte Zephir sanft das erste Lied.
Eva lauschte im Gebüsch daneben
Und empfand mit Jugendphantasie
Dieser Töne jugendliches Leben
Und die neugeborne Harmonie.
Süßen Trieb empfand auch Philomele
Leise nachzubilden diesen Klang,
Mühelos entströmte ihrer Kehle
Sanft der göttliche Gesang.
Himmlische Begeistrug floß hernieder
In der Huldin reingestimmte Brust,
Und ihr Mund ergoß in Freudenlieder
Und in Dankgesängen ihre Lust,
Tiere, Vögel, selbst die Palmenäste
Neigten staunender zu ihr sich hin.
Alles schwieg, es buhlten nur die Weste
Froh um ihre Schülerin.
Göttin Dichtkunst kam in Rosenblüte
Hoher Jugend eingehüllt herab
Aus dem Äther, schön wie Aphrodite,
Du ihr Ozean das Dasein gab.
Goldne Wölkchen trugen sie hernieder,
Sie umfloß der reinste Balsamduft,
Kleine Genien ertönten Lieder
In der tränenlosen Luft.
NOVALIS
(d.i. Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg — 1772-1801)
Uit: Das lyrische Werk 1788-1793
__________
Sehen Sie zu Novalis bitte auch unseren Beitrag mit Aphorismen, am Samstag 1. November.
__________
Afbbildung: Novalis; Foto nach einer Marmorbüste von Fritz Schaper (1841-1919).