Samstag, 8. November 2008
Friedrich Nietzsche (1844-1900) über den Herbst
kulturtempel, 19:57h
Vereinsamt
Die Krähe schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein —
Wohl dem, der jetzt noch — Heimat hat!
Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?
Die Welt — ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends halt.
Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! —
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
— bald wird es schnein,
Weh dem, der keine Heimat hat!
Der Herbst
Dies ist der Herbst: der bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort! —
Die Sonne schleicht zum Berg
Und steigt und steigt
Und ruht bei jedem Schritt.
Was ward die Welt so welk!
Auf mild gespannten Fäden spielt
Der Wind sein Lied.
Die Hoffnung floh —
Er klagt ihr nach.
Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
O Frucht des Baums,
Du zitterst, fällst?
Welch ein Geheimnis lehrte dich
Die Nacht,
Daß eisger Schauder deine Wange,
Die Purpur-Wange deckt? —
Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch! — —
Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
»Ich bin nicht schön
— so spricht die Sternenblume —,
Doch Menschen lieb ich
Und Menschen tröst ich —
Sie sollen jetzt noch Blumen sehn,
Nach mir sich bücken
Ach! und mich brechen —
In ihrem Auge glänzet dann
Erinnerung auf.
Erinnerung an Schöneres als ich: —
Ich seh's, ich seh's — und sterbe so.« —
Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
Friedrich Nietzsche (1844-1900)
Aus: Gedichte
Die Krähe schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnein —
Wohl dem, der jetzt noch — Heimat hat!
Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts ach! wie lange schon!
Was bist du Narr
Vor Winters in die Welt entflohn?
Die Welt — ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends halt.
Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.
Flieg Vogel, schnarr
Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! —
Versteck, du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!
Die Krähen schrein
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
— bald wird es schnein,
Weh dem, der keine Heimat hat!
Der Herbst
Dies ist der Herbst: der bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort! —
Die Sonne schleicht zum Berg
Und steigt und steigt
Und ruht bei jedem Schritt.
Was ward die Welt so welk!
Auf mild gespannten Fäden spielt
Der Wind sein Lied.
Die Hoffnung floh —
Er klagt ihr nach.
Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
O Frucht des Baums,
Du zitterst, fällst?
Welch ein Geheimnis lehrte dich
Die Nacht,
Daß eisger Schauder deine Wange,
Die Purpur-Wange deckt? —
Du schweigst, antwortest nicht?
Wer redet noch! — —
Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
»Ich bin nicht schön
— so spricht die Sternenblume —,
Doch Menschen lieb ich
Und Menschen tröst ich —
Sie sollen jetzt noch Blumen sehn,
Nach mir sich bücken
Ach! und mich brechen —
In ihrem Auge glänzet dann
Erinnerung auf.
Erinnerung an Schöneres als ich: —
Ich seh's, ich seh's — und sterbe so.« —
Dies ist der Herbst: der — bricht dir noch das Herz!
Fliege fort! fliege fort!
Friedrich Nietzsche (1844-1900)
Aus: Gedichte