Montag, 5. Mai 2008
Die vollkommen eigene — unleserliche — Sprache vom Chinesen Xu Bing. Bis 26. Oktober im Groninger Museum.
Neue chinesische Schriftzeichen
In der Abteilung Zeichen an der Wand — in der umfangreichen Ausstellung GO CHINA — die schon seit 23. März im Groninger Museum zu sehen ist, gibt es ein ganz besonderes Beispiel von Verlegerkunst, das dort in einer Vitrine vorgestellt wird. Das Handwerk des Büchermachens ist vom 1955 geborenen — heutzutage in New York lebenden und arbeitenden — chinesischen Künstlers Xu Bing auf einer ganz besonderen Weise zur Realiät geworden. Das Projekt ist inzwischen fast zwanzig Jahre alt: zwischen 1987 und 1991 hat Xu Bing eine Truhe geschnitzt aus Walnußholz, das links im Bild zu sehen ist. Daneben liegen vier Bücher, die darin genau passen. Die vier Bände sind in Handarbeit gedruckt worden und dasselbe gilt für das Heften. Letzteres genau in Übereinstimmung mit der Jahrhunderte alten chinesischen Tradition auf diesem Gebiet. Das Format der vier Bände beträgt 116,9 x 76,2 Zentimeter.

Texte ohne Inhalt
Neben diesem hervorragenden Beispiel von Handwerkskunst beinhaltet dieses Objekt noch etwas ganz anderes, das als künstlerische Aussage weitergeht als die Schönheit der graphischen Handarbeit. Die vier Bücher, die zusammen einen Umfang von 500 Seiten haben, sind versehen mit einer ausserordentlichen Menge an Texten, die jedoch völlig unleserlich sind, auch für Sinologen, da Xu Bing, in einer Periode von vier Jahren in äußerst intensiver Arbeit, viertausend bis dahin nicht existierende Schriftzeichen realisiert hat, die jedoch überhaupt keine iinhaltliche Bedeutung haben.

Innere Werte
Der Unsinn der, sprachlich betrachtet, in den vier Büchern steht, hat jedoch einen ganz bestimmten inneren Wert und ebenfalls einen sehr spannungsgeladenen SINN, weil damit bewiesen wurde dass nach dem Dahinscheiden des Großen Steuermanns Mao Zedong — der von dem Langen Marsch, von dem langen Arm und von der langen Atem — eben doch wieder einigermassen Bewegung in der kulturellen Landschaft dieses großen, vielseitigen und traditionsreichen Landes möglich geworden ist.
Hätte Xu Bing dieses Projekt zu Zeiten Maos bis zu einem guten Ende hätte bringen können, die eventuele Ausstellung davon hätte höchstwahrscheinlich dafür gesorgt dass er von Henkershand gespalten worden wäre, da er keine Kunst, sondern ein seinen Staat unterminierendes Projekt mit einer völlig geheimen Sprache vollendet hätte und schon deswegen mit den Feinden von Mao und dessen ganz persönlichen Teil der Welt unter einer Decke gesteckt hätte.

Mehr wissenswertes über dieses Projekt — von dem auch noch eine Installationsversion aus 1988 existiert — kann man nachlesen in dem Buch mit Katalog das es über diese Abteilung der großen Ausstellung gibt, und zwar in zwei verschiedenen Ausgaben: Niederländisch und Englisch.
Darin gibt es einige allgemeine Esaays, sowie ebenfalls Beschreibungen und Abbildungen der anderen 50 Projekte die zusammen diesen Teil der Ausstellung Zeichen an der Wand ausmachen.
__________
Cees Hendrikse mit Sabine Wang:
TEKENS AAN DE WAND — Chinees nieuw realisme en avant-garde in de jaren tachtig en negentig.
152 Seiten (29,2 x 23,2 Zentimeter).
Eine Ausgabe des Groninger Museums in Zusammenarbeit mit dem NAI Verlag, Rotterdam.
Niederländisch: ISBN 978-90-5662-138-4.
Englisch: ISBN 978-90-5662-542-9.
____________
Abbildungen
1. Holztruhe mit den dafür bestimmten vier Büchern von Xu Bing, die in einer Vitrine im Groninger Museum ausgestellt sind. (@ Kollection Ringer Zürich.)
2. GO CHINA-Logo von den Museen zu Groningen und Assen, wo es andere Abteilungen dieser umfangreichen Ausstellung gibt.
3. Vorderseite des Buches/Katalogs zu dieser Abteilung der Ausstellung GO CHINA im Groninger Museum.

... link