Freitag, 17. Oktober 2008
Türkische Volksmärchen bestechen uns, die Leser
Märchenwelt
Die Märchenwelt ist zwar eine Sache an sich, die soviel Absurdes, soviel Wünschenswertes und außerdem soviel Unglaubwürdiges enthält, doch die gleichzeitig so faszinierend ist, weil wir darin — ob wir uns das bewußt sind oder nicht — einen Spiegel vorgehalten bekommen die uns zeigt wie die Menschen so sind, auch wenn manchmal Tiere als Protagonisten auftreten. Dabei darf man nie die Tatsache aus den Augen verlieren dass es sich um Geschichten handelt, die eben von Menschen erzählt worden sind. Das gilt sowohl für die Sammlungen in der okzidentalischen Welt, mit ihren Sammlungen der Märchen, die mit großen Namen verbunden sind — wie Andersen, Grimm, Bechstein, Musäus und anderen — wie auch für die Märchen die sich im Orient abspielen. Zwar sind die berühmtesten aus jenem Teil der Welt die aus Tausend und Einer Nacht, aber daneben gibt es soviele Einzelgeschichten und zusammengefügte, zueinander gehörende Sammlungen deren Inhalt sich fast ausschließlich in der Atmosphäre präsentieren, aber inhaltlich sind auch jene Märchen in erster Linie Lehrstücke über das Leben der Menschen mit all ihren Macken und eventuellen Größen. Dass da Prinzen und Prinzessinnen eine besondere Rolle spielen, ist nichts außergewöhnliches und dass es da sprechende Tiere gibt, ist etwas das es in den antiken Fabeln auch schon gegeben hat.


Da in diesen Tagen auf der 60. Buchmesse in Frankfurt am Main wieder einmal eine Unmenge von Neuerscheinungen vorgestellt werden — 400.000 an der Zahl — sollte die wahren Liebhaber vom Phänomen Buch und — im Rahmen dieses Beitrages — von Märchen nicht davon abhalten sich zu orientieren. Letzteres Wort trifft auch zu auf die Tatsache zu dass
das Gastland in diesem Jahr die Türkei ist und dass es da seit geraumer Zeit eine Schicht von Autoren gibt denen es sehr gefallen würde wenn die Türkei endlich in die Europäische Gemeinschaft ein Zuhause finden könnte. Es sei denn — und es sieht danach aus dass dies der Fall sein wird — dass der gemeingefährliche Bundesminister des Inneren der BRD seinen Willen durchsetzen kann und das Vierte Reich mit einer Supergestapo Wirklichkeit wird, was dan leider kein Märchen sondern bittere Realität sein wird. Da wird es wohl auch besser sein dass man sich keine Bücher mit Märchen kauft, denn die werden, ihres Inhaltes wegen, wohl als subversiv gekennzeichnet werden. Denn die Hohlköpfe der Geheimpolizei sehen in allem was denen begegnet einen möglichen terroristischen auf die dann zurecht totgesagte Demokatie, um die es schon seit längerem in Europa, doch nicht zuletzt in Deutschland sehr schlecht steht.
Doch solange man es noch kann, sollte man sich die dtv-Ausgabe Türkische Volksmärchen gönnen, eben weil darin wiederum die unglaublichsten Geschichten von Prinzen, Peris und sonstigen Zauberwesen gesammelt sind, sowie Abenteuer von Menschen aus dem einfachen Volk und nicht zuletzt einige Tiermärchen.


Die beiden Herausgeberinnen — eine in der Türkei geboren, die andere in Italien — haben in Deutschland promoviert im Fachbereich der Turkologie: auch dies kein Märchen, sondern Realität — was man nicht alles lernen kann wenn man sich Kürzestfassungen von Autorenbiographien zu Herzen nimmt. Jedenfalls ist es den Damen gelungen eine hervorragende Sammlung zu realsieren, die man sich in den Händen aller Märchenliebhaber vorstellen kann.
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Türkische Volksmärchen
Ausgewählt und nacherzählt von Sevgi Ağcagül und Elisabetta Ragagnin. Mit Illustrationen von Elisabetta Ragagnin. 288 Seiten, Paperback, Originalausgabe.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München, Oktober 2008.
ISBN 978-3-423-13699-0 (dtv 13699); Preis € 9,90.
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Die Abbildung auf dem Umschlag der dtv-Ausgabe zeigt Portrait of Sultan Mehmet II (Türkische Schule)/ Bridgeman Giraudon.
Die anderen Illustrationen stammen aus dem Buch und sind von Elisabetta Ragagnin.

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