Montag, 27. Oktober 2008
Johann Gaudenz von Salis-Seewis: Herbstlied
H E R B S T L I E D

Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder;
Und der Herbst beginnt!
Rote Blätter fallen;
Graue Nebel wallen;
Kühler weht der Wind!

Wie die volle Traube,
Aus dem Rebenlaube,
Purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche, mit Streifen,
Rot und weiß, bemalt!

Dort, im grünen Baume
Hängt die blaue Pflaume,
Am gebognen Ast.
Gelbe Birnen winken,
Daß die Zweige sinken
Unter ihrer Last.

Welch ein Apfelregen
Rauscht vom Baum! Es legen
In ihr Körbchen sie
Mädchen, leicht geschürzet,
Und ihr Röckchen kürzet
Sich bis an das Knie.

Winzer, füllt die Fässer!
Eimer, krumme Messer,
Butten sind bereit!
Lohn für Müh und Plage
Sind, die frohen Tage
In der Lesezeit!

Unsre Mädchen singen,
Und die Träger springen;
Alles ist so froh:
Bunte Bänder schweben,
Zwischen hohen Reben,
Auf dem Hut von Stroh.

Geige tönt und Flöte,
Bei der Abendröte,
Und bei Mondenglanz:
Schöne Winzerinnen
Winken und beginnen
Deutschen Ringeltanz!

Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)
Aus Gedichte.
Gesammelt durch seinen Freund Friedrich Matthisson.
(Zürich 1797.)