Mittwoch, 29. Oktober 2008
Joseph von Eichendorff — Zwei Herbstgedichte
IM HERBST

Der Wald wird falb, die Blätter fallen,
Wie od und still der Raum!
Die Bächlein nur gehen durch die Buchenhallen
Lindrauschend wie im Traum,
Und Abendglocken schallen
Fern von des Waldes Saum.

Was wollt ihr mich so wild verlocken
In dieser Einsamkeit!
Wie in der Heimat klingen diese Glocken
Aus stiller Kinderzeit —
Ich wende mich erschrocken,
Ach, was mich liebt, ist weit!

So brecht hervor nur, alte Lieder.
Und brecht das Herz mir ab!
Noch einmal grüß ich aus der Ferne wieder
Was ich nur Liebes hab,
Mich aber zieht es nieder
Vor Wehmut wie ins Grab.















HERBSTWEH

So still in den Feldern allen,
Der Garten ist lange verblüht,
Man hort nur flüsternd die Blätter fallen,
Die Erde schläfert — ich bin so müd.

Es schüttelt die welken Blätter der Wald,
Mich friert, ich bin schon alt,
Bald komm der Winter und fällt der Schnee,
Bedeckt den Garten und mich und alles, alles Weh.

Joseph von Eichendorff (1788-1857)
Aus WERKE: Gedichte

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Dienstag, 28. Oktober 2008
Neues aus der Anstalt — Heute zum Miterleben
Eingewiesen
Man stelle sich folgendes einmal vor: Sie werden zwangsweise in eine Anstalt eingewiesen, obwohl Sie von sich wissen dass Ihnen nicht soviel fehlt dass dies unbedingt erforderlich ist. Man kann sich vorstellen dass Ihnen dann ein wenig die Luft ausgeht. Aber es gibt in letzter Zeit eine Anstalt in die sich viele Leute gerne mehr oder weniger einweisen lassen, weil es da — trotz des Wahnwitzes die sich dort in vieler Hinsicht und bei jedem Besuch breit macht — vieles zum Lachen gibt, auch wenn das Eine oder Andere vielleicht einen nicht selten tief ernsten Unterton hat.

Sich einweisen lassen
Sowas können Sie miterleben, indem Sie selbst dafür sorgen dass Sie rechtzeitig um eine 'Einweisung' nachsuchen, die Sie, als Eintrittskarte getarnt, dann irgendwann erreichen wird. Eine zwar viel passivere, doch im Prinzip nicht unangenehmere Teilnahme gehört zu den Möglichkeiten — und die wird von den meisten Interessenten in Anspruch genommen — indem Sie in den eigen vier Wänden, oder wo immer es ein in jeder Hinsicht angeschlossenes Fernsehgerät gibt, dies rechtzeitig einschalten und dann, sogar ohne der versengenden Hitze der Studioscheinwerfer, dabei sein können.

Kontakt zum 'Chefarzt' mit seinem Klientel
Wenn Sie zu denjenigen gehören die sich noch nicht in diese besondere Anstalt gewagt haben, sollten Sie den Schritt heute einmal machen und den Kontakt zu diesem Anstaltsleiter — nein nein, nicht zu jenem der Elke Heidenreich gefeuert hat und der gar nicht beglückt war — und ist — über Reich-Ranickis Außerungen zu einem Teil seiner Programmierung —, eben zu Urban Priol in seiner Tätigkeit als Chef-Psycho-Psychi und Verklemmter Seelenklempner, herstellen. Und stellen Sie sich auch noch folgendes vor: heute Abend, unmittelbar nach dem Heute Journal, wird Ihnen im Zweiten Deutschen Fernsehen die Gelegenheit geboten, nicht nur mit dem gerade genannten Schirmherrn der dortigen Klientel Bekanntschaft zu machen, doch gleichfalls mit diesem Mann namens Georg Schramm, der sich dort mehrfach aufhält und Ihnen seine diversen Persönlichkeiten gerne vorstellen möchte.

Eigene Diagnosen
Hinzu kommt dass Sie sich selbst davon überzeugen können dass auch und gerade einer im weißen Kittel nicht ohne Tics und Tadel ist. Der Anstaltsleiter ist in gewisser Hinsicht ein anal hortendes Wesen indem er sein Fahrstuhl nicht von anderen benutzt wissen möchte, da dies seine Grandiosität gewissermaßen belastet und antastet — so glaubt er wenigstens.
Und sollten Sie an eimem solchen, zu Nichts verpflichtenden, Besuch irgendwie Gefallen finden, dann denken Sie einmal darüber nach ob Sie nicht auch von den beiden Anstaltsprotagonisten — die unter sich auch noch mehr oder weniger Antagonisten sind — etwas lesen möchten, denn dazu wird Ihnen vom Karl Blessing Verlag reichlich die Gelegenheit geboten, wie Sie den Abbildungen in diesem Text auch entnehmen können.

Kurztherapie
Einer meistens vertrauenswürdiger Quelle habe ich entnehmen können dass Sie dazu heute auch noch die Gelegenheit bekommen werden — doch selbstverständlich nur wenn Sie dies möchten — die, vielleicht erneute, Bekanntschaft von Helge Schneider, Florian Schroeder und Wilfried Schmickler zu machen, da diese als Kurztherapiegäste vorgesehen sind.
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Urban Priol — Hirn ist aus
Mit Illustrationen von Greser und Lenz
272 Seiten, gebunden, mit Umschlag
Karl Blessing Verlag, München, 2008
ISBN 978-3-89667-356-5.

Georg Schramm — Lassen Sie es mich so sagen — Dombrowski deutet die Zeichen der Zeit
272 Seiten, gebunden, mit Umschlag
Karl Blessing Verlag, München, 2007
ISBN 978-3-89667-348-0.

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Montag, 27. Oktober 2008
Nikolaus Lenau (1802-1850) — Herbstgefühl
H E R B S T G E F Ü H L

Mürrisch braust der Eichenwald,
Aller Himmel ist umzogen.
Und dem Wandrer rauh und kalt
Kommt der Herbstwind nachgeflogen.

Wie der Wind zu Herbsteszeit
Mordend hinaust in den Wäldern,
Weht mir die Vergangenheit
Von des Glückes Stoppelfeldern.

An den Bäumen welk und matt,
schwebt des Laubes letzte Neige,
Niedertaumelt Blatt auf Blatt
Und verhüllt die Waldessteige;

Immer dichter fállt es, will
Mir den Reisepfad verderben,
Daß ich lieber halte still,
Gleich am Orte hier zu sterben.

Nikolaus Lenau (1802-1850)
Aus Sämtliche Werke

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Johann Gaudenz von Salis-Seewis: Herbstlied
H E R B S T L I E D

Bunt sind schon die Wälder,
Gelb die Stoppelfelder;
Und der Herbst beginnt!
Rote Blätter fallen;
Graue Nebel wallen;
Kühler weht der Wind!

Wie die volle Traube,
Aus dem Rebenlaube,
Purpurfarbig strahlt!
Am Geländer reifen
Pfirsiche, mit Streifen,
Rot und weiß, bemalt!

Dort, im grünen Baume
Hängt die blaue Pflaume,
Am gebognen Ast.
Gelbe Birnen winken,
Daß die Zweige sinken
Unter ihrer Last.

Welch ein Apfelregen
Rauscht vom Baum! Es legen
In ihr Körbchen sie
Mädchen, leicht geschürzet,
Und ihr Röckchen kürzet
Sich bis an das Knie.

Winzer, füllt die Fässer!
Eimer, krumme Messer,
Butten sind bereit!
Lohn für Müh und Plage
Sind, die frohen Tage
In der Lesezeit!

Unsre Mädchen singen,
Und die Träger springen;
Alles ist so froh:
Bunte Bänder schweben,
Zwischen hohen Reben,
Auf dem Hut von Stroh.

Geige tönt und Flöte,
Bei der Abendröte,
Und bei Mondenglanz:
Schöne Winzerinnen
Winken und beginnen
Deutschen Ringeltanz!

Johann Gaudenz von Salis-Seewis (1762-1834)
Aus Gedichte.
Gesammelt durch seinen Freund Friedrich Matthisson.
(Zürich 1797.)

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Montag, 20. Oktober 2008
Der Autor Otfried Preußler vom neuerdings verfilmten Roman Krabat begeht heute seinen 85. Geburtstag
Obwohl wir gar nicht wissen ob Otfried Preußler — aus Anlaß seines 85. Geburtstages, der heute fällig ist — sich wohl einen Wunschzettel zurechtgelegt hat, oder ob da richtige Feierlichkeiten veranstaltet werden, wissen wir nicht, und hat uns von Journaille im Allgemeinen und in den Kulturredationen isbesondere gar nicht zu interessieren, es sei denn daraus werden öffentlicht Veranstaltungen. Dennoch, gerne gratulieren wir und hoffen dass dieser Schriftsteller noch lange unter den seinen und ein wenig auch bei uns verweilen wird.

Sein berühmtestes Buch ist der Roman Krabat aus dem Jahre 1971, und das wurde im April dieses Jahres zum 24. mal in der dtv-Ausgabe veröffentlicht, diesmal ausschließlich als sogenannter Großdruck.
Preußlers Popularität — sowie die seiner phantastischen Erzählungen — hat leider nicht dazu geführt dass er in die meisten wichtigen Literaturlexika aufgenommen wurde. Nicht einmal im relativ neuen Roman Lexikon von Reclam kann man Krabat finden. Nichtdestoweniger wurde die Verfilmung des Buchs mit Spannung erwartet. Der Film ist inzwischen bereits in den deutschen Kios angelaufen und wird voraussichtlich einen Siegeszug im deutschen Sprachraum erleben.
Vor einigen Wochen als am Wahlsonntag in Bayern die Meldungen über die spektakulären Verluste der dort herrschenden, sich christlich apostrophierende politische Partei im Deutschlandfunk gesendet wurden, war zwischendurch auch ein wenig Platz für Nacrichten aus dem Kulturleben. Eine davon bezog sich auf die Krabat-Verfilmung sowie auf die Tatsache dass Otfried Preußler heute seinen 85. Geburtstag begehen würde. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen dass die scheinbar erwarteten Memoiren dieses Schriftstellers — vor allem die im Zusammenhang mit seinen Erfahrungen als russischer Kriegsgefangener — erst nach seinem Dahinscheiden veröffentlich werden sollen.

Krabat
Der Krabat ist ein vierzehnjähriger Waisenjunge der, vieler Warnungen — sich von der Mühle am schwarzen Wasser fernzuhalten — zum Trotz, sich just in dieser als Lehrling einstellen lässt, eben weil die Neugierde größer ist als die Bereitschaft auf besserwissende Leute zu hören, und das führt dazu dass er die geheimnisvolle Atmosphäre dort nun selbst erleben kann. Denn gerade dort liegt für ihn der Startplatz von vielen wunderbaren und peinlichen, humorvollen sowie dubiosen Abenteuern, von denen sich Liebhaber von Märchen und sonstigen phantastischen Erzählungen allzu gern bezaubern lassen.
Von diesem Buch, das 1971 zum ersten mal veröffentlicht wurde, gibt es schon über ein viertel Jahrhundert eine preiswerte Ausgabe als Taschenbuch, die im April dieses Jahres zum 24. mal nachgedruckt wurde, und seitdem nur noch als Großdruck erhältlich sein wird — ausgenommen in Antiquariaten.
Krabat wird allerseits als Preußlers bestes Buch gehandelt. Auch Berufsleser wie Rezensenten und Literaturhistoriker werden mitgerissen von diesen einfühlsam erzählten Erlebnissen des Jungen, und bevor man sich dies richtig bewußt wird, hat man schon einiges in der eigenen Phantasie miterlebt, so Bilder heraufbeschwörend hat Otfried Preußler dies alles aufgeschrieben.
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Otfried Preußler — Krabat. Roman; 348 Seiten (Großdruck); Deutscher Taschenbuch Verlag, München; April 2008 (24. Auflage). ISBN 978-3-423-25281-2; Prijs 8,95 (in der BRD).

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Freitag, 17. Oktober 2008
Türkische Volksmärchen bestechen uns, die Leser
Märchenwelt
Die Märchenwelt ist zwar eine Sache an sich, die soviel Absurdes, soviel Wünschenswertes und außerdem soviel Unglaubwürdiges enthält, doch die gleichzeitig so faszinierend ist, weil wir darin — ob wir uns das bewußt sind oder nicht — einen Spiegel vorgehalten bekommen die uns zeigt wie die Menschen so sind, auch wenn manchmal Tiere als Protagonisten auftreten. Dabei darf man nie die Tatsache aus den Augen verlieren dass es sich um Geschichten handelt, die eben von Menschen erzählt worden sind. Das gilt sowohl für die Sammlungen in der okzidentalischen Welt, mit ihren Sammlungen der Märchen, die mit großen Namen verbunden sind — wie Andersen, Grimm, Bechstein, Musäus und anderen — wie auch für die Märchen die sich im Orient abspielen. Zwar sind die berühmtesten aus jenem Teil der Welt die aus Tausend und Einer Nacht, aber daneben gibt es soviele Einzelgeschichten und zusammengefügte, zueinander gehörende Sammlungen deren Inhalt sich fast ausschließlich in der Atmosphäre präsentieren, aber inhaltlich sind auch jene Märchen in erster Linie Lehrstücke über das Leben der Menschen mit all ihren Macken und eventuellen Größen. Dass da Prinzen und Prinzessinnen eine besondere Rolle spielen, ist nichts außergewöhnliches und dass es da sprechende Tiere gibt, ist etwas das es in den antiken Fabeln auch schon gegeben hat.


Da in diesen Tagen auf der 60. Buchmesse in Frankfurt am Main wieder einmal eine Unmenge von Neuerscheinungen vorgestellt werden — 400.000 an der Zahl — sollte die wahren Liebhaber vom Phänomen Buch und — im Rahmen dieses Beitrages — von Märchen nicht davon abhalten sich zu orientieren. Letzteres Wort trifft auch zu auf die Tatsache zu dass
das Gastland in diesem Jahr die Türkei ist und dass es da seit geraumer Zeit eine Schicht von Autoren gibt denen es sehr gefallen würde wenn die Türkei endlich in die Europäische Gemeinschaft ein Zuhause finden könnte. Es sei denn — und es sieht danach aus dass dies der Fall sein wird — dass der gemeingefährliche Bundesminister des Inneren der BRD seinen Willen durchsetzen kann und das Vierte Reich mit einer Supergestapo Wirklichkeit wird, was dan leider kein Märchen sondern bittere Realität sein wird. Da wird es wohl auch besser sein dass man sich keine Bücher mit Märchen kauft, denn die werden, ihres Inhaltes wegen, wohl als subversiv gekennzeichnet werden. Denn die Hohlköpfe der Geheimpolizei sehen in allem was denen begegnet einen möglichen terroristischen auf die dann zurecht totgesagte Demokatie, um die es schon seit längerem in Europa, doch nicht zuletzt in Deutschland sehr schlecht steht.
Doch solange man es noch kann, sollte man sich die dtv-Ausgabe Türkische Volksmärchen gönnen, eben weil darin wiederum die unglaublichsten Geschichten von Prinzen, Peris und sonstigen Zauberwesen gesammelt sind, sowie Abenteuer von Menschen aus dem einfachen Volk und nicht zuletzt einige Tiermärchen.


Die beiden Herausgeberinnen — eine in der Türkei geboren, die andere in Italien — haben in Deutschland promoviert im Fachbereich der Turkologie: auch dies kein Märchen, sondern Realität — was man nicht alles lernen kann wenn man sich Kürzestfassungen von Autorenbiographien zu Herzen nimmt. Jedenfalls ist es den Damen gelungen eine hervorragende Sammlung zu realsieren, die man sich in den Händen aller Märchenliebhaber vorstellen kann.
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Türkische Volksmärchen
Ausgewählt und nacherzählt von Sevgi Ağcagül und Elisabetta Ragagnin. Mit Illustrationen von Elisabetta Ragagnin. 288 Seiten, Paperback, Originalausgabe.
Deutscher Taschenbuch Verlag, München, Oktober 2008.
ISBN 978-3-423-13699-0 (dtv 13699); Preis € 9,90.
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Die Abbildung auf dem Umschlag der dtv-Ausgabe zeigt Portrait of Sultan Mehmet II (Türkische Schule)/ Bridgeman Giraudon.
Die anderen Illustrationen stammen aus dem Buch und sind von Elisabetta Ragagnin.

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Donnerstag, 16. Oktober 2008
Herbst und Oktober bei Theodor Storm
Herbstnachmittag

Halbschläfrig sitz ich im Lehnstuhl;
Vor der Tür auf dem Treppenstein
Schwatzen die Mädchen und schauen
In den hellen Sonnenschein.

Die Braunen, das sind meine Schwestern,
Die Blond' ist die Liebste mein.
Sie nähen und stricken und sticken,
Als sollte schon Hochzeit sein. —

Von fern das Kichern und Plaudern
Und um mich her die Ruh,
In den Lüften ein Schwirren und Summen —
Mir fallen die Augen zu.

Und als ich wieder erwache,
Ist alles still und tot,
Und durch die Fensterscheiben
Schimmert das Abendbrot.

Die Mädchen sitzen wieder
Am Tisch im stummen Verein;
Und legen zur Seite die Nadeln
Vor dem blendenden Abendschein.

Theodor Storm (1817-1888)
Uit: Gedichte.
In: Sämtliche Werke

* * * * * * * * * *

Oktoberlied

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden.

Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz, —
Stoß an, und laß es klingen!
Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden.

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt im Veilchen.

Die blauen Tage brechen an;
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen!

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Abbildung Theodor Storm in 1886.

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Dienstag, 14. Oktober 2008
dtv's Literarischer Kalender für 2009 schon erschienen
Neuartige Ausgabe
Es ist Mitte Oktober und schon kann man die verschiedenartigsten Terminkalender fürs nächste Jahr kaufen. Darunter diesmal auch eine sehr schön gestaltete Ausgabe die schon im Monat August dieses Jahres im Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen ist: ein Literarischer Kalender 2009. Der Titel findet man auf der Vorderseite in Gold, die beiden übrigen Info's in weiß. Erstens das dtv-Logo und ganz unten der Spruch von Aristoteles, den man schon weltweit übersetzt hatte bevor wir Leser, die ältesten inklusive, auf der Welt waren: Der Anfang ist die Hälfte des Ganzen.

Zwei Seiten pro Woche
In dem Kalender sind nicht nur, wie üblich, die christlichen Feste vermerkt, sondern auch die jüdischen und die islamischen. Außerdem findet man die Geburts- und Sterbedaten der wichtigsten dtv-Autoren an den betreffenden Stellen wieder.
Als Zäsur zwischen den Monaten ist auf der rechten Seite stets ein Text eines Autors abgedruckt und auf der gegenüberliegenden Seite findet man in einigen Fällen ein Bild dieses Schreiberlings. Dazu soll noch darauf aufmerksam gemacht werden dass es sich dabei nicht ausschließlich um deutschsprachige Autoren handelt. Joyce Carol Oates und Graham Greene sind geau so mit von der Partie wie Marguerite Yourcenar und Michael Ondaatje.
Es handelt sich hier um ein Büchelchen das jede Woche ein paar mal auf etwas wichtiges aus der Geschichte des Abendlandes hinweist, sei es auf Feste die ihren Ursprung in der einen oder anderen religiösen Tradition findet, sei es auf Autoren die dazu beigetragen haben dass alte Kulturen lebendig geblieben sind und dazu Neu(er)es hinzugekommen ist.
Wenn das als Empfehlung nicht genügt, was soll ich Ihnen dazu noch weiter erzählen?
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Babette Schäfer (Redaktion): Literarischer Kalender 2009. Deutscher Taschenbuch Verlag, München, August 2008. ISBN 978-3-423-13682-2. Preis € 9,95.
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Abbildungen
1. Vorderseite des Literarischen Kalenders 2009 vom dtv.
2. Johann Wolfgang von Goethe. Im Bildnachweis auf der vorletzten Seite des LK findet man keine weiteren Angaben und Daten zu dieser Zeichnung.

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Samstag, 4. Oktober 2008
Johann Wolfgang von Goethe's Gedicht Im Herbst 1775 — hier mit seiner Handschrift in Faksimile

Viele Gedichte hat der damals 26-jährige Goethe im Jahre 1775 nicht geschrieben. In der erstmals 1875 erschienene 6-bändige Ausgabe Der Junge Goethe — die ich vor zwei Monaten von einem Buchhändler geschenkt bekommen habe in der Neuen Ausgabe von 1910/11, da er in den Niederlanden schon seit längerem keine Kunden mehr hat für deutschsprachige Literatur die im Fraktur gedruckt worden ist — kommen in jenem Jahr relativ wenig Gedichte vor.
Zu dieser Neuausgabe wurde damals im Vorwort geschrieben dass ein Menschenalter zwischen 1875 und 1910 liege. Schon daran erkennt man dass das Alltagsleben sich seitdem maßgeblich verändert hat.
Dieses Faksimile ist auf anderem Papier gedruckt und, ohne Seitenzahl, der gedruckten Version im laufenden Text vorangestellt.


IM HERST 1775

Fetter grüne du Laub
Das Rebengeländer
Hier mein Fenster herauf.
Gedrängter quillet
Zwillingsbeeren, und reiset
Schneller und glänzend voller.
Euch brütet der Mutter Sonne
Scheideblick, euch umsäuselt
Des holden Himmels
Fruchtende Fülle.
Euch fühlet des Monds
Freundlicher Zauberhauch
Und euch bethauen, Ach!
Aus diesen Augen
Der ewig bestehende Liebe
Vollschwellende Trähnen.

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Mittwoch, 1. Oktober 2008
Erste Oktober-Ausgabe des US-amerikanischen Wochenhblattes TIME feiert die Umwelt und ihre Helden
Alljährlicher Überblick
Die Ausgabe vom 6. Oktober der US-amerikanischen Wochenzeitschrift TIME Magazine — das inzwischen wohl bei den meisten Abonnenten in Europa eingetroffen sein wird, und deshalb schon bei den meisten Zeitschriftenhändlern in aller Welt erhältlich sein wird — beschäftigt sich in einem Special Report mit der Umwelt auf unserem Planeten und vor allem mit den Menschen und Organisationen die ihre Zeit und ihre Energie, und manchmal auch ihr Geld, dazu hergeben die Welt in jener Hinsicht besser zu machen.
Das Auffällige an dieser Augabe ist dass nicht, wie sonst immer, der klassische rote Rand ins Auge springt, sondern, passend zum Thema, die vielen verschiedenen grünen Schattierungen auf einem weißem Untergrund.



Ein Drittel der ganzen Ausgabe
Jeder der für unsere Umwelt positive Gefühle entwickelt hat und sich jetzt die Zeit gönnt die Artikel in dem extra dicken Heft — 112 Seiten stark, von denen 36 dem Thema eingeräumt wurden — zu lesen, sowie die Bilder sich anzuschaen, wird beeindruckt sein von dem Einsatz die so viele verschiedenen Leute — entwder als Privatperson oder als Teil einer Organisation — leisten für diverse Aspekte in diesem Teil unserer Kultur und Zivilisation.
Inzwischen geht jedoch das unbarmherzige Abholzen im tropischen Regenwald einen Tag nach dem anderen weiter, und leider sind unsere Voraussichten in der Hinsicht nicht gerade von allzu viel Hoffnung — das übrigens das Prinzip schlechthin ist um Impulse zu generieren, sowie die unmittelbar dazu gehörenden Taten.
Diese Nummer vom TIME Magazine möchte ich Ihnen hiermit, gerne und mit Nachdruck, ans Herz legen!

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Montag, 29. September 2008
Intelligente Pferde und alte Ostfriesen in Grand Rapids
Überfahrt nach Hoboken
Kurz nach der vorigen Jahrhundertwende — also, um 1900 — ist mein Großvater mütterlicherseits, Gerke Mulder (1882-1972) auf einem großen Dampfschiff aus Rotterdam nach New York gereist — eine Überfahrt die damals mehr als zwei Wochen gedauert hat — um von dort aus weiter in den Norden der Vereinigten Staaten zu reisen, wo in Grand Rapids im Staate Michigan eine Unterkunft sowie eine Arbeit auf ihn gewartet haben.
Ohne Zweifel war letzteres von Verwandten eingefädelt worden, die dort schon seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gewohnt hatten, ihre Arbeit nachgegangen waren, dort Nachwuchs bekommen hatten und sich über all das in Briefen nach Groningen besonders positiv geäußert hatten.
Mein Großvater wollte mal was anderes versuchen als im vertrauten Kreis des Lebensmittelgeschäftes sich weiterzuentwickeln. Und zum Pionieren haben die Vereinigten Staaten von damals ohne jeglichen Zweifel wohl die beste Perspektive geboten.

Wohnen und Arbeiten
Schon am ersten Tag nach seiner Ankunft in Grand Rapids konnte er seine neue Beschäftigung antreten. Sein Arbeitgeber war von den Verwandten schon darüber informiert worden, dass Opa sich hervorragend mit Pferden verstand und auch dass er mit einem größeren Wagen mit zwei Pferden sehr gut über den Weg konnte. Auch deshalb konnte er sich unmittelbar an die Arbeit machen. Er bekam einen ziemlich großen Wagen zugewiesen sowie zwei Zugpferde. Zusammen sollten sie all die Läden besuchen die die Spezialität des Hauses — der klassische Zwieback — im Angebot hatten.
"Dann brauch ich jetzt wohl noch eine Liste mit den Namen der Geschäfte," meinte mein Großvater.
"Nicht nötig. Die Pferde machen von sich aus halt bei jedem Geschäft in dem du dich vorstellen sollst."
Der erste Laden bei dem die Pferde halt hielten, war klein. Opa ging hinein und fragte auf extra sich angeeignetes Amerikanisches Englisch ob man schon Nachschub von seinem Produkt bräuchte.
Die ältere Frau bedeutete ihn zu warten und drehte sich um, öffnete eine Tür und rief ihren Mann.
"Komm mal her, ich kann nicht verstehen was dieser Kerl sagt."
Da sie dieses auf Ostfriesisch rief, reagierte mein Großvater sofort.
"Of ie ook tweibakkn hebbn moutn."
Die Frau war volkommen perplex.
"Und wo kommst du her? Wir sind Ostfriesen und sogar nach vierzig Jahren verstehen wir diese Yanks immer noch nicht."

Rückkehr
Im Jahre 1906 hat Opa immer noch in Grand Rapids gelebt und gearbeitet. Gerade zu der Zeit wurden sogar in jener Gegend der Verenigten Staaten Spezialeisen organisiert nach Chicago wo relativ kurz zuvor dieses schreckliche Erdbeben stattgefunden hatte. Also: schon vor über einem Jahrhundert hat es diesen Katastrophentourismus gegeben.
Seine Verlobte, Eiske Bossinga (1885-1924), die später meine schon längst verstorbene Großmutter werden sollte, konnte sich gar nicht mit dem Gedanken anfreunden, dort im 'Fernen Westen' eine Karriere oder gar ein Privatleben aufzubauen, und aus diesem Grund ist Gerke Mulder nicht allzu lange danach in die Niederlande zurückgekehrt um in der eigenen Provinz doch noch mal wieder sein Glück mit einem Lebensmittelladen zu versuchen.
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Abbildungen
1. Auseinandergefaltete, doppelte Ansichtskarte mit Blick auf den Fluß Grand und die Stadt Grand Rapids, um 1905, zu der Zeit als mein Großvater dort gelebt und gearbeitet hat.
2. Gerke Mulder 1905. Das Photo wurde aufgenommen im Studio von der Firma G. Poisson in G. Div. Street zu Grand Rapids.
3 Eiske Bossinga, die spätere Ehefrau von Gerke Mulder. Sie wollte nicht in die Vereinigten Staaten auswandern.

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Samstag, 27. September 2008
Noch ein Gedicht in der Handschrift von Ludwig Uhland — Einkehr (1811)


E I N K E H R

Bei einem Wirthe, wundermild,
Da war ich jüngst zu Gaste;
Ein goldner Apfel war sein Schild
An einem langen Aste.

Es war der gute Apfelbaum,
Bei dem ich eingekehret;
Mit süßer Kost und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.

Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste;
Sie sprangen frei und hielten Schmaus
Und sangen auf das beste.

Ich fand ein Bett zu süßer Ruh
Auf weichen grünen Matten;
Der Wirth, er deckte selbst mich zu
Mit seinem kühlen Schatten.

Nun fragt' ich nach der Schuldigkeit,
Da schüttelt er den Wipfel.
Gesegnet sei er allezeit
Von der Wurzel bis zum Gipfel!

Aus: Wanderlieder (№ 7)
LUDWIG UHLAND (1787-1862)

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Abbildungen
1. Gedichthandschrift Uhlands, 1811.
2. Ludwig Uhland. Ölgemälde von Christoph Friedrich Dörr. Um 1810.
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Bitte sehen Sie auch unseren vorigen Beitrag vom 17. August, mit einem Gedicht in Uhlands Handschrift und dazu eine kurze Beschreibung seines Lebens.
http://kulturtempel.blogger.de/stories/1200053/

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Freitag, 26. September 2008
Heute Abend auf Arte-TV: einmalige Ausstrahlung einer Naturdokumentation über den Wiener Stephansdom

Flora und Fauna
Sie lesen schon richtig: bei diesem Film handelt es sich indertat um eine Naturdokumentation. Denn, als die Wiener Kathedrale 1997 ihr 850-jähriges Bestehen feierte, hat ein Filmteam des Regisseurs Georg Riha den südlichen, 136 Meter hohen,Turm der Wiener Sankt Stephanskathedrale minutiös 'durchsucht' und ist zu dem Ergebnis gekommen dass es sich dabei um ein einzigartiges Stück Naturgebiet handelt. Die Filmleute haben dort nicht nur exotische Schmetterlinge angetroffen, doch ebenfalls kleine Raubtiere und sogar einen Baum.
Eine solche einzigartige Dokumentation, die am Freitag 26. September, abends zwischen 20:15 Uhr und 21:00 Uhr, auf Arte zu sehen ist, sollte keiner verpassen der sich auch nur im geringsten für die besonderen Phänomene der Natur interessiert.
Arte wird diese Filmdokumentation leider nicht, wie sonst üblich, innherhalb kurzer Zeit wiederholen.
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Abbildung: Der Stephansdom in Wien. Originalradierung auf Seide (16 x 21 cm) von H. Welser. Sammlung Heinz Wallisch.

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Mittwoch, 24. September 2008
Wiederholung am Samstag: Frank Westermans Reise durch Die Getreiderepublik im Norden der Niederlande
Großer Erfolg im März
Nicht nur im Kino und/oder im Fernsehen gibt es Erfolg wenn ein Sender oder ein Unternehmen etwas anbietet das die Zuschauer sehr gefällt. Dann kommen hinterher die Bitten um mehr vom selben oder gar eine richtige Wiederholung. Das war auch der Fall als am 8. März dieses Jahres der bekannte Schriftsteller Frank Westerman als Reisebegleiter einen Bus voll Interessenten begleitet hat durch 'seine' Getreiderepublik in Groningen. Darüber haben wir im Februar auf dieser Seite schon vorab hingewiesen. [1] Unser Beitrag wurde auch noch nach dem Ereignis über hundertmal angefordert, und hat es sogar in die Liste der am meisten gelesenen Artikel auf dieser Kulturseite geschafft. Das zeigt ein großes Interesse von Seiten der Leser.
Die Gesuche um Wiederholung sind bei Gelly Talsma — Buchhändlerin in Groningen und gleichzeitig Inhaberin der Organisation De Culturele Onderneming — eingegangen, und auch deswegen hat sie sich dazu entschlossen, das Ganze im Herbst zu wiederholen. Am kommenden Samstag, 27. September, ist es soweit.
Mehr Informationen, über Teilnahme, Programm usw., finden Sie auf der Webseite des Unternehmens, indem Sie den Link unter [2] anklicken.
Der Autor hat damals die Mitreisenden an Ort und Stelle auf allerhand Wissenswertes und Interessantes hingewiesen, in eben jener Gegend die als Getreiderepublik gehandelt wird, und wo unser Autor sich inzwischen wohl mehr oder weniger zu Hause fühlt, denn just über diese Gegend hat er sein Buch De Graanrepubliek geschrieben. Gerade diese Tatsache macht ihn zum best denkbaren Reiseführer, jedenfalls für diesen Teil der Provinz Groningen.

[1]
http://kulturtempel.blogger.de/stories/1057918/
[2]
http://www.decultureleonderneming.nl/graanrepubliek.html

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Dienstag, 23. September 2008
Friedrich von Schiller — Hoffnung
H O F F N U N G

Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen,
Nach einem glücklichen goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen,
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung!

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling begeistert ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben,
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er — die Hoffnung auf.

Es ist kein leerer schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Toren.
Im Herzen kündet es laut sich an,
Zu was besserm sind wir geboren,
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.
__________

Aus: Friedrich Schiller: Gedichte erster Teil 1804.

Das Gleiche findet man, selbstverständlich, in:

Friedrich Schiller: Sämtliche Gedichte und Balladen, herausgege ben von Georg Kurscheidt. Einmalige Sonderausgabe, 2004, erschienen im Insel Verlag.

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