Wie nu alles stirbt und endet
Und das letzte Rosenblatt
Müd sich an die Erde wendet,
In die warme Ruhestatt:
So auch unser Tun und Lassen,
Was uns heiß und wild erregt,
Unser Lieben, unser Hassen
Sei ins welke Laub gelegt!
Reiner, weißer Schnee, o schneie,
Schnei beide Gräber zu,
Daß die Seele uns gedeihe
Still und kühl in Winterruh!
Bald kommt jene Frühlingswende,
Die allein die Liebe weckt,
Wo der Haß umsonst die Hände
Träumend aus dem Grabe streckt!
Gottfried Keller (1819-1890)
Aus: Gedichte
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Einen Beitrag über die NDR Kultur-Sendungen der kommenden fünf Wochen, in der Reihe Am Abend vorgelesen — mit Erzählungen von Gottfried Keller — finden Sie in einem Artikel auf unserer niederländischen Schwesterseite Tempel der Letteren.
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Am 30. August 1878 hat Jacob Burckhardt aus einem Café am Korso in Mailand den hier unten aufgeführten Brief mit Gedicht an den Architekten Max Alioth geschrieben.
An mancher schönen Stegen ;
Wo alls hoch und luftig
Gebälk, Gewölb und Kuppeln
Mich noch recht vollzuschnuffeln,
Wenn Basel mir den Angstschweiß treibt
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Führt die Reu' auch mit vier Pferden augenblicklich hinterher.
Noch keine hat daraus genippt, ihr blieb ein Stückchen Flügel kleben.
Die Liebe trägt dieselbe Bürde und hüpft so selig hin und her.
Hüte, Kind, in deiner Seele vor dem ersten Flecken dich!
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Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohne Unterlaß;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.
Theodor Storm (1817-1888)
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Die Stadt verklingt
Woher die feinen Töne schweben
Wie weit verwehter Düfte Schwaden?
Sie sind vom weiten Weg beladen
Mit Mörtelmehl und Spinneweben.
Verstaubtem Öl in Schlüssellöchern
Und stickluftdunkler Korridore,
Mit Säuren, Weines rotem Flore,
Mit Anklang, eisen, hölzern, knöchern.
Und während sie dich schwer erheben,
Kommt schon der Mond mit großem Rade,
Und unter dir klingt als Ballade
Die Stadt, der Abend und das Leben.
Oskar Loerke (1884-1941)
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Ich will heraus aus dieser Stadt
Ich weiß daß Berge auf mich warten,
Draußen — weit —
Und Wald und Winterfeld und Wiesengarten
Voll Gotteseinsamkeit —
Weiß daß für mich ein Wind durch Wälder dringt,
So lange schon —
Daß Schnee fällt , daß der Mond nachtleise singt
den Ewig-Ton —
Fühle, daß nachts Wolken schwellen,
Bäume
Daß Ebenen, Gebirge wellen
In meine Träume —
Die Winterberge, meine Berge tönen —
Wälder sind verschneit —
Ich will hinaus, mit euch mich zu versöhnen!
Ich will heraus aus dieser Zeit,
Hinweg von Märkten, Zimmern, Treppenstufen,
Straßenbraus —
Die Waldberge, die Waldberge rufen,
Locken mich hinaus!
Bald hab ich diese Straßenwochen,
Bald diesen Stadtbann aufgebrochen
Und ziehe hin, wo Ströme durch die Ewig-Erde pochen,
Ziehe selig in die Welt!
Gerrit Engelke (1890-1918)
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Abbildungen
1. Theodor Storm, Büste in seinem Geburtsort Husum.
2. Oskar Loerke, gezeichnet von Emil Stump.
3. Gerrit Engelke.
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ICH bin zu Hause zwischen Tag und Traum.
Dort, wo die Kinder schläfern, heiß vom Herzen,
dort, wo die Alten sich zu Abend setzen
und Herde glühn und hellen ihren Raum.
Ich bin zu Hause zwischen Tag und Traum.
Dort, wo die Abendglocken klar verklangen
und Mädchen, vom Verhallenden befangen,
sich müde stützen auf den Brunnensaum.
Und eine Linde ist mein Lieblingsbaum;
und alle Sommer, welche in ihr schweigen,
rühren sich wieder in den tausend Zweigen
und wachen wieder zwischen Tag und Traum.
Mehr Poesie von Rainer Maria Rilke (1875-1926) kann mann ab heute finden auf der niederländischen Kulturwebseite mit aussschließlich Dichtung: Tempel der Dichtkunst. Sie brauchen nur den nachfolgenden Link zu klicken http://tempelderdichtkunst.blogspot.com/2010/02/drie-fruhe-gedichte-van-rainer-maria.html um die drei Gedichte aus derselben Sammlung lesen zu können.
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Afbeelding: Der Dichter Rainer Maria Rilke, gemalt von Paula Modersohn-Becker (1876-1907).
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Unruhig steht der hohe Kiefernforst;
die Wolken wälzen sich von Ost nach Westen.
Lautlos und hastig ziehn die Krähn zu Horst;
dumpf tönt die Waldung aus den braunen Ästen.
Und dumpfer tönt mein Schritt.
Hier über diese Hügel ging ich schon,
als ich noch nicht den Sturm der Sehnsucht kannte,
noch nicht bei euerm urweltlichen Ton
die Arme hob und ins Erhabne spannte,
Ihr Riesenstämme rings.
In großen Zwischenräumen, kaum bewegt,
erheben sich die graugewordnen Schäfe;
durch ihre grüngebliebnen Kronen fegt
die Wucht der lauten und verhaltnen Kräfte
wie damals.
Und Eine steht wie Erdgotts Hand
in fünf gewaltige Finger hochgespalten;
die glänzt noch goldbraun bis zum Wurzelstand
und langt noch höher als die starren alten
einsamen Stämme.
Durch die fünf Finger geht ein zäher Kampf,
als wollten sie sich aneinander zwängen;
durch ihre Kuppen wühlt und spielt ein Krampf,
als rissen sie mit Inbrunst an den Strängen
einer verwunschenen Harfe.
Und von der Harfe kommt ein Himmelston
und pflanzt sich mächtig fort von Ost nach Westen.
Den kenn ich tief seit meiner Jugend schon:
dumpf tönt die Waldung aus den braunen Ästen:
Komm, Sturm, erhöre mich!
Wie hab ich mich nach einer hand gesehnt,
die mächtig ganz in meine würde passen!
wie hab ich mir die Finger wund gedehnt!
die ganze Hand, die konnte Niemand fassen!
Da ballt ich sie zur Faust.
Ich habe mit Inbrünsten jeder Art
mich zwischen Gott und Tier herumschlagen.
Ich steh und prüfe die bestandne Fahrt:
nur eine Inbrunst läßt sich treu ertragen:
zur ganzen Welt.
Komm, Sturm der Allmacht, schüttel den starren Forst!
schüttelst auch mich, du urweltliches Treiben.
In scheuen Haufen ziehn die Krähn zu Horst.
Gieb mir die Kraf, einsam zu bleiben
Welt! —
RICHARD DEHMEL (1863-1920)
Aus: Gesammelte Werke, Band 2 (1913)
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Der Schnee zerrinnt,
Der Mai beginnt,
Die Blüten keimen
Den Gartenbäumen,
Und Vögelschall
Tönt überall
Pflückt einen Kranz
Und haltet Tanz
Auf grünen Auen,
Ihr schönen Frauen,
Pflückt einen Kranz
Und haltet Tanz!
Wer weiß, wie bald
Die Glocke schallt,
Da wir des Maien
Uns nicht mehr freuen,
Wer weiß, wie bald
Sie leider schallt.
F R Ü H L I N G S L I E D
Die Luft ist blau, das Tal ist grün,
Die kleinen Maienglocken blühn
Die Schlüsselblumen drunter;
Der Wiesengrund
Ist schon so bunt
Und malt sich täglich bunter
Drum komme, wem der Mai gefällt,
Und freue sich der schönen Welt
Und Gottes Vatergüte
Die diese Pracht
Hervorgebracht,
Dem Baum und seine Blüte.
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Ludwig Christoph Heinrich Hölty
(1748-1776)
Die beiden Gedichte wurden aufgenommen in die Sammlung
Gedichte für einen Frühlingstag.
Eine Originalausgabe, erschienen im Deutschen Taschenbuch Verlag, München,
März 2004 (dtv 20966).
Sehen Sie bitte auch das Gedicht desselbigen Poeten, das wir am 12. November 2008 auf dieser Webseite veröffentlicht haben.
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Abbildungen
1. Hölty's Grabmal mit Jüngling, auf dem Sankt Nikolai Friedhof, Hannover, ab 1901. (Foto: Axel Hindemith.)
2. Vorderseite der dtv-Ausgabe mit Frühlingsgedichten.
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Überm Garten durch die Lüfte
Hört' ich Wandervögel ziehn,
Das bedeutet Frühlingsdüfte,
Unten fängt's schon an zu blühn.
Jauchzen möcht' ich, möchte weinen,
Ist mir's doch, als könnt's nicht sein!
Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein.
Und der Mond, die Sterne sagen's,
Und in Träumen rauscht's der Hain,
Und die Nachtigallen schlagen's:
Sie ist deine, sie ist dein!
* * * * *
Mondnacht
Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt,
Das sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'.
Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis' die Wälder:
So sternklar war die Nacht.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
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Joseph Karl Benedikt, Freiherr von Eichendorff (1788-1857)
Beide Gedichte wurden vertont von Robert Schumann (1810-1856)
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Abbildungen
1. Joseph von Eichendorff.
2. Robert Schumann. Gezeichnet von Jolien Eijkhout, Groningen — Niederlande, 2005.
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Begraben ist in ewige Nacht
Der Erfinder großer Name zu oft!
Was ihr Geist grübelnd entdeckt, nutzen wir;
Aber belohnt Ehre sie auch?
Wer nannte dir den kühneren Mann,
Der zuerst am Maste Segel erhob?
Ach, verging selber der Ruhm dessen nicht,
Welche dem Fuß Flügel erfand!
Und sollte der unsterblich nicht sein,
Der Gesundheit und Freuden erfand,
Die das Roß, mutig im Lauf, niemals gab,
Welche der Reih'n selber nicht hat!
Unsterblich ist sein Name dereinst!
Ich erfinde noch dem schlüpfenden Stahl
Seinen Tanz! Leichteres Schwungs fliegt er hin,
Kreiset umher, schöner zu sehn.
Du kennest jeden reizenden Ton
Der Musik, drum gib dem Tanz Melodie!
Mond und Wald höre den Schall ihres Horns,
Wem die des Flugs Eile gebeut!
O Jüngling, der den Wasserkothurn
Zu beseelen weiß, und flüchtiger tanzt,
Laß der Stadt ihren Kamin! Komm mit mir,
Wo des Kristalls Ebne dir winkt!
Sein Licht hat er in Düfte gehüllt;
Wie erhellt des Winters werdender Tag
Sanft den See! Glänzenden Reif, Sternen gleich,
Streute die Nacht über ihn aus!
Wie schweigt um uns das weiße Gefild!
Wie ertönt vom jungen Froste die Bahn!
Fern verrät deines Kothurns Schall dich mir,
Wenn du, dem Blick, Flüchtling enteilst.
Wir haben doch zum Schmause genug
Von des Halmes Frucht? und Freuden des Weins?
Winterluft reizt die Begier nach dem Mahl;
Flügel am Fuß reizen sie mehr!
Zur Linken wende du dich! ich will
Zu der Rechten hin halbkreisend mich drehn.
Nimm den Schwung, wie du mich ihn nehmen siehst:
Also! nun fleug schnell mir vorbei!
So gehen wir den schlängelnden Gang
Am dem langen Ufer schwebend hinab.
Künstle nicht! Stellung, wie die, lieb ich nicht,
Zeichnet dir auch Preisler nicht nach.
Was horchst du nach der Insel hinauf?
Unerfahrne Läufer tönen dort her!
Huf und Last gingen doch nicht übers Eis,
Netze noch nicht unter ihm fort.
Sonst späht dir dein Ohr ja alles; vernimm,
Wie der Todeston wehklagt auf der Flut!
O wie tönt's anders! wie hallt's, wenn der Frost
Meilen hinab spaltet den See!
Zurück! laß nicht die schimmernde Bahn
Dich verführen, weg von Ufer zu gehn!
Denn wo dort Tiefen sie deckt, strömt's vielleicht,
Sprudeln vielleicht Quellen empor.
Den ungehörten Wogen entströmt,
Dem geheimen Quell entrieselt der Tod!
Glittst du auch leicht, wie dies Laub, ach! dorthin,
Sänkest du doch, Jüngling, und stürbst!
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Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803)
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Neujahrsglocken
In den Lüften schwellendes Gedröhne,
Leicht wie Halme beugt der Wind die Töne
Leis verhallen, die zum ersten riefen,
Neu Geläute hebt sich aus den Tiefen.
Große Heere, nicht ein einzler Rufer!
Wohllaut flutet ohne Strand und Ufer.
Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898)
Uit: Samtliche Gedichte
Reclam RUB 9885
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